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Sozial-mentale Aspekte von Betriebsübergängen im Rahmen des Outsourcings

Erstellt am: 15.06.2007 | Stand des Wissens: 01.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Beim Betriebsübergang sind neben den harten Faktoren, welche klar an Kennzahlen festgemacht werden, auch eine Reihe von weiteren weichen Faktoren zu identifizieren. Jene weichen Faktoren verstehen sich auf einer abstrakten Ebene als zwischenmenschliche Aspekte bei einem Betriebsübergang [KlPr07, S. 376]. Eine Vielzahl solcher weichen Faktoren liegen nach Stölzle et al. [KlPr07, S. 376] im nur schwer greifbaren emotionalen, psychischen Bereich und kann sogar in Verbindung mit dem persönlichen Umfeld des Personals stehen. Zwischenmenschliche Aspekte sind bei Betriebsübergängen zahlreich und sollten keinesfalls übersehen werden. Im Rahmen eines Betriebsübergangs werden Mitarbeitende in ein neues Arbeitsumfeld eingegliedert. Dabei werden sie mit teilweise oder komplett neuen Prozessen, Verfahren und Verhaltensweisen konfrontiert [KlPr07, S. 376]. Mitarbeitende sind ein elementarer Schlüssel zum Erfolg, was sich daran zeigt, dass der Widerstand ausgehend von den Beschäftigten einer der zentralen Gründe ist, die ein Outsourcing Projekt scheitern lassen [ScWi05, S. 379].

Die etablierten und über die Jahre geschaffenen formellen und informellen Hierarchien erfahren eine Neustrukturierung. Im Rahmen dessen kann es dazu kommen, dass jüngere Mitarbeitende eines Logistikdienstleisters zu Vorgesetzten eines ehemaligen Schichtleiters oder gar Abteilungsleiters werden [KlPr07, S. 376]. Solche Erfahrungen können die Mitarbeitenden sehr stark emotional und psychisch belasten. Außerdem ist durch die mit dem Outsourcing verbundene höhere Erwartung an die Produktivität im Vergleich zur ursprünglichen rein internen Leistungserstellung ein wichtiger Faktor. Die Arbeitsbelastung und Leistungsanforderungen sind nach dem Outsourcing häufig durchaus höher als in der ursprünglichen Organisation, da die ausgelagerten Prozesse hier die Kernaufgabe darstellen und die angestrebten Einsparungen nur durch Produktivitätszuwachs zu generieren sind [KlPr07, S. 376].

Im Kontrast dazu können auch Integrationsschwierigkeiten aufseiten des Logistikdienstleisters und dessen Mitarbeitern auftreten. Diese können zum Beispiel durch das Bekanntwerden einer sogenannten Bestandswahrung der übernommenen Mitarbeiter des Verladers entstehen, sodass die übernommenen Mitarbeiter bei gleicher Leistung eine bessere Bezahlung erhalten. Das Gesetz regelt in diesem Fall, dass im ersten Jahr der Übernahme das Arbeitsverhältnis der übernommenen Arbeitnehmenden nicht zu deren Nachteil verändert werden darf. Effektiv bedeutet dies, dass übernommene Arbeitnehmende in diesem Jahr besser bezahlt werden als ihre vorher ansässigen Kollegen und Kolleginnen am selben Arbeitsplatz [BGB §613a].Des Weiteren können sich an unterschiedliche Arbeitszeitregelungen Integrationskonflikte entzünden [KlPr07, S. 376]. Mitarbeitende fürchten im Rahmen von Outsourcing-Maßnahmen nicht selten den Verlust ihres Arbeitsplatzes oder geringere Sozialleistungen. Aufkommende Gerüchte und Verhandlungen können das Personal demotivieren und können dazu führen, dass Dienst nach Vorschrift geleistet wird (heute bekannter als quiet quitting), was Wettbewerbsvorteile gefährdet, besonders, wenn diese auf Personalkompetenzen beruhen [WiHa22, S. 260].
Um zu verhindern, dass der Betriebsübergang an den genannten weichen Faktoren scheitert, sollten schon im Vorhinein Problemfelder der genannten Aspekte identifiziert und diese bei der Umsetzung berücksichtigt werden.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Kontraktlogistik (Stand des Wissens: 01.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?285349
Literatur
[KlPr07] Rudolph, T.; , Pfohl, H.; , et. al., Klaus, Peter, Prof., Prockl, Günter, Dr. Handbuch Kontraktlogistik - Management komplexer Logistikdienstleistungen, Ausgabe/Auflage 1.Auflage, WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA/Weinheim, 2007, ISBN/ISSN 978-3-527-50203-5
[ScWi05] Schott, E., Wick, M. Change Management, veröffentlicht in Strategisches Projektmanagement, 2005, Online-Referenz doi:10.1007/3-540-26836-7_10
[WiHa22] Sabine Haller , Christian Wissing Dienstleistungsmanagement
Grundlagen - Konzepte - Instrumente, 2022/08/27, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-658-36810-4, ISBN/ISSN ISBN 978-3-658-36809-8 ISBN 978-3-658-36810-4 (eBook)
Rechtsvorschriften
[BGB §613a] Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
Glossar
Outsourcing Beim Outsourcing (Fremdvergabe) werden Aufgaben oder Dienstleistungen, die nicht zum Kerngeschäft eines Unternehmens gehören, ausgelagert, das heißt an externe Unternehmen abgegeben. Die Ausgliederung von Logistikaktivitäten ist die häufigste Form des Outsourcings. Das Wort leitet sich von 'outside' und 'resourcing' ab.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?228009

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 21:24:43