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Lang-Lkw in den Niederlanden

Erstellt am: 10.10.2005 | Stand des Wissens: 23.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

Im Jahr 2018 wurden 50,4 Prozent der Güterverkehre in den Niederlanden auf dem Verkehrsträger Straße transportiert. Der Anteil des Binnenschiffs am Güterverkehr beträgt 43,2 Prozent, der der Bahn 6,4 Prozent [EURO20], wobei Massengüter vorwiegend auf dem Wasserweg befördert und hochwertige Güter auf der Straße transportiert werden [KIEN07].

Längere und schwerere Lastkraftwagen (LZVs, niederländisch: langere en zwaardere vrachtauto´s) haben in den Niederlanden eine hohe transportwirtschaftliche Bedeutung. Dem Einsatz von LZVs werden Vorteile für Wirtschaft und Umwelt sowie Innovationspotenziale im Karosseriebau zugesprochen. In den Niederlanden beträgt das Höchstgewicht für reguläre Lastzugkombinationen 50 Tonnen. Diese wurden 1994 erstmals probeweise zugelassen [BAST06c].

Zwischen 2001 und 2011 wurden Praxistests mit LZVs durchgeführt, die bei einer maximalen Länge von 25,25 Meter ein Gesamtgewicht von 60 Tonnen nicht überschreiten durften [DVS10]. Seit dem Jahr 2011 haben LZVs eine generelle Zulassung für das nationale Straßennetz [Verk11g]. Diese basiert auf einer Ausnahmebewilligung zur Abweichung von den gesetzlichen Bestimmungen, für die unterschiedliche Anforderungen zu berücksichtigen sind [DVS10]:
  • Fahrzeugtechnische Anforderungen: Zusätzlicher Anspruch an die Auslesbarkeit der Achslasten, Bremsweg identisch mit dem einer regulären Lkw-Kombination, erforderliche Motorleistung des Zugwagens höher als die einer regulären Lkw-Kombination [DVS10]]
  • Anforderungen an den Fahrer: Zertifikat zum Führen eines LZVs
  • Anforderungen an die Ladung: kein Gefahrgut, keine lebenden Tiere, keine flüssige Ladung mit einem Volumen von mehr als 1.000 Liter
  • Anforderungen an die äußeren Verkehrsbedingungen: keine glatten Straßen, Sicht von mindestens 200 Metern, Überholverbot bei motorisierten Fahrzeugen mit mehr als 45 Kilometer pro Stunde
Die Praxistests zwischen 2001 und 2011 wurden in drei Testphasen durchgeführt. In Abbildung 1 sind die drei abgeschlossenen Testphasen zum Einsatz der LZVs dargestellt.
LVZs.jpgAbb. 1: Übersicht zu Testphasen des Einsatzes von LZVs [DVS10] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Die erste Testphase erfolgte im Zeitraum Dezember 2001 bis Mai 2003 mit vier Teilnehmern und vier LZVs. Dabei war der Einsatz auf den kombinierten Verkehr beschränkt [DVS10].

Für die zweite Testphase stieg das Interesse, weil die Anforderungen in Bezug auf den Kombinierten Verkehr gelockert wurden. Zu Beginn der Testphase im August 2004 waren 66 Teilnehmer mit 100 LZVs beteiligt. Abgeschlossen wurde die Testphase im November 2006 mit 76 Teilnehmern und 162 LZVs [DVS10;Binn05].
In der dritten Erfahrungsphase vom November 2007 bis November 2011 war die Zahl der eingesetzten LZVs nicht mehr begrenzt. Zu Beginn waren 109 Unternehmen mit 194 LZVs beteiligt. Die Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 und die dadurch ausgelöste Notwendigkeit von Kosteneinsparungen bei den Unternehmen führte zu einem verstärkten Einsatz der LZVs. Im Januar 2010 umfasste die Testphase bereits 196 Teilnehmer mit 429 LZVs [DVS10].

In den Niederlanden wurde durch den vermehrten Einsatz der LZVs keine nennenswerte Verlagerung der Güterverkehrsströme von anderen Verkehrsträgern beobachtet. LZVs werden zwar auch für den Containertransport eingesetzt, in erster Linie jedoch auf Transportmärkten, für die Bahn und Binnenschiff keine große Bedeutung haben. Hierzu zählt etwa die Belieferung von Supermarktketten und großen Einzelhandelsunternehmen [DVS10].

Dem LZV wird ein positiver Einfluss auf die Nachhaltigkeit zugesprochen. Bei einer vollständigen Ausnutzung des Marktpotenzials von LZVs wird die Einsparung bei CO2-Emissionen von 4 Prozent, bei NOX-Emissionen von 6 Prozent geschätzt [DVS10].
Im Jahr 2016 erteilte die RDW, die niederländische Verkehrsbehörde, 831 Genehmigungen für den LZV, im Jahr 2018 wurde jedoch erstmals die Grenze von tausend Genehmigungen überschritten. Die Zahl der Öko-Kombis ist inzwischen auf fast 1300 angewachsen. Es erscheint daher plausibel, dass sich dieses Wachstum in den kommenden Jahren fortsetzen wird. In Zukunft könnten noch längere Lastwagen auf niederländischen Straßen fahren. Dies betrifft den sogenannten Super Ecocombi. Dieser darf maximal 32 Meter lang sein. Im Jahr 2020 wurde mit der technischen Erprobung auf isolierten Teststrecken begonnen. Bei einem erfolgreichen Verlauf sollte sich hieran ein Pilotprojekt anschließen in dessen Rahmen der Super Ecocombi auf festgelegten öffentlichen Strecken am Realverkehr teilnehmen sollte [Gurp20]. Aufgrund von auftretenden Schwierigkeiten im Testbetrieb wurde das Projekt jedoch im Sommer 2021 zunächst abgebrochen. Es kam zu unerwarteten Problemen bezüglich der Verkehrssicherheit. Die Überlänge und die daraus resultierenden Kurvenlaufeigenschaften machten das Befahren von Einmündungen und Kreisverkehren in vielen Fällen unmöglich. Nun wird nach alternativen Strecken für das Pilotprojekt gesucht und eine Wiederaufnahme des Projekts angestrebt [Trans21].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Lastzugkombinationen im Straßengüterverkehr (Stand des Wissens: 23.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?221041
Literatur
[BAST06c] RDir Dr. Klaus-Peter Glaeser, ORR Dipl.-Mathematiker Rolf Kaschner, RR Dipl.-Geograph Markus Lerner, RDir Dipl.-Ing. Christian Kurt Roder, RDir Dr. Roland Weber, Dipl.-Ing. Dipl.-Tropentechnologe Andreas wolf, RDir Dr. Ulf Zander Auswirkung von neuen Fahrzeugkonzepten auf die Infrastruktur des Bundesfernstraßennetzes, Ausgabe/Auflage Schlussbericht 2. Auflage, Bundesanstalt für Straßenwesen, 2006/11/01
[Binn05] Binnenbruck, Horst Hermann, Dipl.-Volksw. Niederländische Initiative eines Modellversuchs mit 60 t-Lkw, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen , Ausgabe/Auflage Nr. 11 (Nov. 2005), Deutscher Verkehrs-Verlag GmbH Postfach 101609 20010 Hamburg , 2005/11
[DVS10] Salet, Martin, Aarts, Loes, Honer, Marieke, Davydenko, Igor, Längere und schwerere Lastkraftwagen in den Niederlanden - Einblicke und Erfahrungen im Zeitraum 1995-2010, 2010/03
[EURO20] EUROSTAT (Hrsg.) Eurostat - Country Profiles, 2020
[Gurp20] van Gurp, Tom Aantal LZV´s in Nederland groeit gestaag door, 2020/02/27
[KIEN07] Kienzle, H-P Verkehrswirtschaftliche Auswirkungen von innovativen Nutzungskonzepten II, K+P Transport Consultants H-P Kienzler, Freiburg, 2007/09/01
[Trans21] Natalia Jakubowska Niederlande: Tests mit 32-Meter langen LKW wurden vorerst abgebrochen, 2021/05/28
[Verk11g] k.A. Niederlande lassen 25-Meter-LKW fahren, 2011/05/22
Rechtsvorschriften
[96/53/EG] Richtlinie 96/53/EG
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Radsatzlast Die Radsatzlast (auch Achslast) beschreibt den Anteil der Fahrzeuggesamtmasse in Tonnen, der vom Fahrzeug über eine Achse auf den Schienenfahrweg aufgebracht wird.
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?169266

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 00:01:09