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Betriebliche Maßnahmen zur Beschleunigung des ÖPNV

Erstellt am: 21.09.2005 | Stand des Wissens: 21.10.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Bevor Verkehrsunternehmen die Öffentlichkeit berührende Beschleunigungsmaßnahmen anstreben, sollten sie die Reserven der Betriebsorganisation ausschöpfen. Dazu zählen Netz-, Linien- und Fahrplangestaltung sowie fahrzeugbezogene Maßnahmen oder Neuerungen in der Fahrgastbedienung.

Bereits bei der Netzgestaltung sollten orts- und verkehrsmittelspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden, um eine optimale Beförderungszeit anbieten zu können. Auf wichtigen Verbindungsachsen mit hohem Fahrgastaufkommen können Schnellstraßenbahnen oder busse, welche größere Haltestellenabstände aufweisen, sinnvoll sein. Insbesondere bei spur- bzw. fahrdrahtgebundenen Verkehrsmitteln verringern ausreichende Überholmöglichkeiten das Risiko gegenseitiger Behinderungen, welche durch Überlagerung mehrerer Linien entstehen können.

Bei der Liniengestaltung sollten Knotenpunkte, an denen häufig Betriebsstörungen auftreten, vermieden werden. Angemessene Wendezeiten an den Endhaltestellen tragen dazu bei, vorhandene Verspätungen aufzuholen.

Die tageszeitlich unterschiedlichen Verkehrsverhältnisse erfordern angesichts des Anspruchs, leicht merkbare Fahrpläne zu veröffentlichen, eine außerordentlich intelligente Fahrplangestaltung. Das betrifft sowohl das Bemessen der Beförderungszeiten und ihr Verteilen über den Linienweg als auch das Festlegen der Zugfolgezeiten. Eine großzügig bemessene Fahrplanvorgabe führt entweder zu Verfrühungen oder zu einer wenig zügigen Fahrweise. Dagegen können durch enge Vorgaben Verspätungen entstehen, die sich bei Anschlüssen möglicherweise auch auf andere Linien auswirken. Außerdem sind verspätete Fahrzeuge häufig höher ausgelastet, wohingegen das nachfolgende Fahrzeug ein geringeres Fahrgastaufkommen zu verzeichnen hat (Abbildung 1).
Skizze_Besetzungsgrad.pngAbb. 1: Auswirkung von Verspätungen einzelner Fahrzeuge auf den Besetzungsgrad
(Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von [FGSV99])
Die Fahrzeuge sind so zu gestalten, dass ihr Einsatz eine zügige Betriebsabwicklung ermöglicht und fahrzeugbedingte Störungen vermieden werden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit sollte auch bei voller Fahrzeugbesetzung erreichbar sein. Darüber hinaus tragen eine große Zahl hinreichend breiter Türen, deren zügiges Öffnen und Schließen sowie geringe Höhendifferenzen zwischen Fahrzeug und Haltestelle zu einem verkürzten Fahrgastwechsel bei.
Schiebetritte_geringereAufloesung2.jpgAbb. 2: Selbst Details wie Schiebetritte zur Spaltüberbrückung haben Einfluss auf die Aufenthaltszeiten an den Haltestellen.

Nicht zuletzt sollte auf eine Zeit sparende Fahrgastbedienung geachtet werden. Dazu zählen der weitgehende Verkauf von Fahrausweisen an Automaten und Vorverkaufsstellen, deren selbständiges Entwerten und insbesondere das gleichberechtigte Nutzen aller Fahrgasttüren der Bahnsteigseite zum Ein- und Ausstieg.
[FGSV99]
Einstieg_geringereAufloesung2.jpgAbb. 3: Aufkleber in den Bussen der Dresdner Verkehrsbetriebe: im Tagesverkehr dürfen die Kunden zwecks schnelleren Fahrgastwechsels alle Türen zum Einsteigen benutzen. Im Abendverkehr, wenn weniger Leute mitfahren, übernimmt der Fahrer die Ticketkontrolle.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Beschleunigung des ÖPNV (Stand des Wissens: 21.10.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?158416
Literatur
[FGSV99] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. (Hrsg.) Merkblatt für Maßnahmen zur Beschleunigung des öffentlichen Personennahverkehrs mit Straßenbahnen und Bussen, Ausgabe/Auflage FGSV-Nr. 114, FGSV Verlag, Köln, 1999
Glossar
Zugfolgezeit Die Zugfolgezeit beschreibt den auf das Passieren eines Fahrzeitmesspunktes oder auf die Einfahrt in einen Streckenabschnitt bezogene Zeitabstand zwischen zwei unmittelbar aufeinander folgenden Zügen.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Besetzungsgrad Unter Besetzungsgrad wird die Auslastung von Verkehrsmitteln verstanden. Im Öffentlichen Personennahverkehr entspricht das Platzangebot dabei i. d. R. der Summe aus den Sitzplätzen und 4 Plätzen je m² Stehfläche. Der Besetzungsgrad wird hierbei in % angegeben. Er liegt im Durchschnitt bei rd. 20 % und erreicht in der Spitze Werte zwischen 80 und 100 %. Vor allem bei besonderen Veranstaltungen kann der Besetzungsgrad im ÖPNV auch über 100 % betragen. In Analogie hierzu wird auch im Individualverkehr oft dieser Begriff verwendet; damit sind jedoch häufig die Anzahl der (durchschnittlich) im Auto befindlichen Personen gemeint (z. B. 1,2 Personen) und nicht die Platzauslastung. Zum Teil wird daher auch der Begriff "Besetzungszahl" verwendet. Der Quotient aus der Summe der Personenfahrten im Pkw und der Anzahl der Pkw-Fahrten wird auch als "ungewichteter Besetzungsgrad" bezeichnet. Daneben gibt es den seltener verwendeten "gewichteten Besetzungsgrad", der die Fahrtlängen berücksichtigt. Da mit zunehmender Fahrtlänge die Besetzung höher ist, liegt der gewichtete Besetzungsgrad um ca. 0,1 höher als der ungewichtete.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?166649

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 23:15:12