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Beschleunigung des ÖPNV

Erstellt am: 31.08.2005 | Stand des Wissens: 21.10.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Behinderungen öffentlicher Verkehrsmittel, wie sie häufig an Lichtsignalanlagen, Knotenpunkten oder Haltestellen auftreten, sollten gerade in Zeiten knapper werdender Finanzmittel keineswegs hingenommen werden. Jedes öffentliche Verkehrsmittel, welches steht, ist unproduktiv. Es werden Personal, Fahrzeuge und Energie gebunden, ohne Fahrgäste zu befördern. Aus diesem Grund sind Maßnahmen zur Beseitigung vorhersehbarer systematischer Störungen im ÖPNV, sogenannte Beschleunigungsmaßnahmen erforderlich [Beck04b]. Hierzu müssen Behinderungen zunächst identifiziert und deren Potenzial zum Verkürzen der Beförderungszeit abgeschätzt werden.

Die Beförderungszeit setzt sich aus Fahr- und Haltezeit zusammen, die Fahrzeit wiederum aus der Behinderungs- und Regelfahrzeit, die Haltezeit ebenfalls aus der Behinderungs- sowie Regelhaltezeit. Die Regelhaltezeit entspricht der Haltestellenaufenthaltszeit [Baer06]. Behinderungszeiten auf nicht beschleunigten ÖPNV-Strecken können zwischen 10 und 40 Prozent der Beförderungszeit ausmachen [Beck04b]. Werden Störungen im Linienverlauf vermindert, können die Reisegeschwindigkeit und die Zuverlässigkeit des Fahrplans erhöht werden [KoPau03]. In vielen Fällen ist mit der Reduzierung der Umlaufzeit eine Einsparung von Fahrzeugen und Personal möglich, wodurch eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit erzielt werden kann [KoFie97].
Eine Beschleunigung des ÖPNV ist jedoch nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll. In KOM07 wird auch von europäischer Seite darauf verwiesen, wie groß in der Zukunft angesichts der wachsenden Umweltprobleme in den Städten die Bedeutung des städtischen ÖPNV sein wird. ÖPNV-Beschleunigung ist eine wichtige Möglichkeit, den ÖPNV zu stärken und durch verstärkten Umstieg auf die Öffentlichen Verkehrsmittel negative Umweltauswirkungen des Stadtverkehrs zu reduzieren.

Zur ÖPNV-Beschleunigung stehen den Akteuren, wie Verkehrsunternehmen und Kommunen, Maßnahmen aus unterschiedlichen Bereichen zur Verfügung, deren Wirksamkeit jedoch sehr unterschiedlich sein kann und ohnehin stark von zahlreichen Randbedingungen wie z.B. der Stadtstruktur beeinflusst wird. Des Weiteren können bei einer Beschleunigung des ÖPNV Konflikte mit den übrigen Verkehrsteilnehmern auftreten. So müssen Fußgänger und Radfahrer eventuell längere Wartezeiten an Lichtsignalanlagen in Kauf nehmen. Im Gegensatz dazu ist im motorisierten Individualverkehr (MIV) aber auch, etwa durch eine Optimierung der Lichtsignalsteuerung, eine Verbesserung des Verkehrsflusses möglich.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass durch eine ÖPNV-Beschleunigung sowohl gesamtgesellschaftliche als auch wirtschaftliche Vorteile erzielt werden können [KoPau03]. Allerdings sind keine allgemeingültigen Regeln ableitbar. Vielmehr müssen die Lösungsansätze immer auf die spezifischen Randbedingungen im vorhandenen Netz abgestimmt werden.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Beschleunigung des ÖPNV (Stand des Wissens: 21.10.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?158416
Literatur
[Baer06] Dr.-Ing.habil. Matthias Bär Vorlesungsskript zur Vorlesung "Systemtechnik des Bahn- und ÖPN-Verkehrs / Betriebstechnik des ÖPV", 2006/10/01
[Beck04b] Beckmann, Klaus, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Verkehrsmanagement und Verkehrssteuerung, 2004/06
[KoFie97] Diverse Verkehrswesen in der kommunalen Praxis, Band I, Planung - Bau - Betrieb, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin, 1997
[KOM07] Kommission der Europäischen Gemeinschaften Grünbuch - Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt, 2007/09/25
[KoPau03] Halleschen Verkehrs-AG, Kolbert, Peter, Pauli, Antje Mobilitätsprojekt 2005 in Halle - Konzept zur Beschleunigung des ÖPNV und Reduzierung von Betriebskosten, veröffentlicht in Der Nahverkehr, 3/2003, Ausgabe/Auflage 3, 2003
Glossar
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?163709

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 01:35:50