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Flächenbetrieb im Regionalverkehr auf dem Lande

Erstellt am: 26.09.2002 | Stand des Wissens: 21.10.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Der Flächenbetrieb ist eine ergänzende Betriebsform des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Stadt und Region. Er kann angewandt werden, wenn die Fahrgastströme keine oder nur eine geringe räumliche - oft auch zeitliche - Bündelung zulassen. Die Fahrzeuge verkehren in einem vorab festgelegten und veröffentlichten Bedienungsraum bedarfsabhängig und zum Teil fahrplangebunden.

Die zu bedienenden Zugangsstellen werden ohne feste Reihenfolge angefahren. Die Reihenfolge ergibt sich erst aus den einem Fahrzeug zugeordneten Fahrtwünschen. Festgelegt sind allein der Bedienungsraum sowie näherungsweise die Bedienungszeit. Der Fahrgast muss deshalb beim Anmelden seines Fahrtwunsches sowohl die Einstiegs- als auch die Ausstiegshaltestelle angeben. Beim Festlegen der Fahrtroute wird versucht, mehrere gleichgerichtete Fahrtwünsche auf eines der meist kleinen Fahrzeuge zusammenzufassen. Nachdem der Fahrtwunsch einem Fahrzeug zugeordnet wurde, informiert der Disponent den Kunden über die tatsächliche Abfahrtszeit. Bei einem Einsatz von zwei bis etwa vier Fahrzeugen kann die Disposition manuell erfolgen. Bei einer größeren Anzahl von Fahrzeugen ist eine Rechnerunterstützung erforderlich.

Der Flächenbetrieb eignet sich, wenn in einem Gebiet mit vielen kleinen Orten ohne eindeutiges Zentrum eine geringe Nachfrage vorherrscht.

Völlig ungerichtete Verkehrsbeziehungen treten jedoch nur äußerst selten auf. Auf grund der geringen Sammelwirkung eines reinen Flächenbetriebes ist die Wirtschaftlichkeit in der Regel nicht gegeben. Somit ist ein kostendeckendes Einführen von kleinen Bedarfsbussen im Flächenbetrieb häufig nicht sinnvoll möglich [Baron97], da
  • die Gesamtkosten von Kleinbussen im Vergleich zu Standardbussen wegen des hohen Anteils der gleich bleibenden Personalkosten nicht wesentlich geringer sind,
  • die Fixkosten nur über die Neben- und Schwachverkehrszeiten umgelegt werden, da diese Busse wegen ihrer geringen Kapazität nicht in der Hauptverkehrszeit eingesetzt werden können,
  • hohe Fahrzeugvorhaltungskosten entstehen, wenn innerhalb eines Bedarfssystems ausschließlich für die Verkehrsspitzenzeiten zusätzliche Kleinbusse angeschafft werden müssen und
  • die für einen kostendeckenden Betrieb erforderliche Anzahl von 30 bis 40 Kunden pro Busstunde wegen der geringen Platzkapazität der Kleinbusse nicht erzielt werden kann.
Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass sich trotz hoher räumlicher und zeitlicher Freiheitsgrade beim Flächenbetrieb oft eine Art Richtungsband herausbildet, da die Fahrtwünsche zumeist auf Orte mit hoher Anzahl von Arbeits- und Ausbildungsplätzen ausgerichtet sind. Der Flächenbetrieb ist deshalb nur eine ergänzende Betriebsform im Rahmen der differenzierten Bedienung und hat letztlich eine vergleichsweise geringe Bedeutung [Wilhe02].

Die hohe Kostenunterdeckung war vielfach Ursache einer Betriebseinstellung [Mehl01]. Ein Betrieb durch Taxenunternehmen mit ohnehin vorhandenen Fahrzeugen und der Einsatz einer für andere Zwecke notwendigen Disposition vermag dem entgegen zu wirken.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Differenzierte Bedienung auf dem Lande (Stand des Wissens: 26.10.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?14413
Literatur
[Baron97]  Baron, Paul Strukturwandel der Innenstädte und mögliche Auswirkungen auf den Stadtverkehr, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 7+8, 1997
[Mehl01] Mehlert, Christian, Dr.-Ing. Die Einführung des AnrufBus im ÖPNV, veröffentlicht in Schriftenreihe Verkehr und Technik, Ausgabe/Auflage Band 91, Erich Schmidt Verlag Bielefeld, 2001
[Wilhe02] Wilhelm, Stefanie, Dr.-Ing. Planungsinstrumente für flexible Betriebsweisen im ÖPNV des ländlichen Raumes, München, 2002
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?13523

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 03:50:58