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Verkehrsmittel für den Regionalverkehr auf dem Lande

Erstellt am: 25.09.2002 | Stand des Wissens: 10.08.2020
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Grundsätzlich können im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verschiedene Verkehrsmittel einzeln oder in Kombination eingesetzt werden. Für den Regionalverkehr auf dem Lande kommen in Frage:
  • Schienenverkehrsmittel,
  • Straßenverkehrsmittel und
  • Sonderverkehrsmittel

Maßgebend für ihren Einsatz sind letztlich Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit. Selbstverständlich muss die notwendige Infrastruktur vorhanden sein oder geschaffen werden, in jedem Fall aber ist ihre Wartung erforderlich.

Sonderverkehrsmittel, wie Fähren, Bergbahnen, Schiffe oder andere touristische Verkehrsmittel kommen zwar nur bei entsprechenden (topografischen) Erfordernissen zum Einsatz, sie sollten dann aber keinesfalls vergessen werden.

Als Schienenverkehrsmittel stehen in der Regel Regionalbahnen zur Verfügung, im Umland großer Städte auch S-Bahnen, Straßenbahnen oder Regional-Stadtbahnen.
Sie bilden häufig das Rückgrat des ÖPNV, auf das auch die anderen Verkehrsmittel ausgerichtet sind und verbinden die Regionen mit dem Oberzentrum.

Politische Intention ist, mehr Verkehr vom motorisierten Individualverkehr auf die Schiene zu verlagern und somit eine nachhaltige Mobilitätssicherung zu gewährleisten. Auch das Regionalisierungsgesetz unterstützt die Förderung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV), indem die Regionalisierungsmittel insbesondere für den Schienenverkehr zu verwenden sind (§7 RegG). Allein zwischen 1996 und 2000 wurden etwa 20 Regionalbahnstrecken mit einer Streckenlänge zwischen 3 und 48 km reaktiviert [Schne01].

Die Stärken der Schienenverkehrsmittel sind kurze Beförderungszeiten und hohe Leistungsfähigkeit. Aufgrund des eigenen Fahrweges kann der Schienenverkehr nur wirtschaftlich eingesetzt werden, wenn eine ausreichende Fahrgastnachfrage vorhanden ist. Abseits aufkommensstarker Hauptverkehrsachsen - insbesondere bei kurzen Strecken bis 50 km - ist somit ein solides Abwägen zwischen Bus und Bahn erforderlich. Grundsätzlich gilt:
  • Bahnen werden aus Kundensicht als höherwertiger eingeschätzt, so dass bei gleichem Fahrtenangebot erheblich mehr Fahrgäste gewonnen werden können.
  • Busse sind meist wirtschaftlicher, so dass bei gleichem Fahrtenangebot wesentlich weniger Finanzmittel benötigt werden oder bei gleichem Budget ein höheres Fahrtenangebot möglich ist.

Schienenverkehre sind deshalb nur auf Strecken sinnvoll, die bei Berücksichtigung wirtschaftlicher wie auch gesellschafts- und strukturpolitischer Aspekte schienenwürdig sind. Abbildung 1 zeigt den Zusammenhang zwischen mittlerer Fahrzeugbesetzung und Kostendeckung bei Regionalbahnen. Demzufolge sind sie bei einer Nachfrage von über 20 Pkm/Fz-km gegebenenfalls schienenwürdig. Für eine typische Strecke auf dem Lande mit einer Länge von 20 km, einer mittleren Reiseweite von 12 km und einem Fahrtenangebot von 10 Fahrtenpaaren pro Tag bedeutet dies beispielsweise eine erforderliche Nachfrage von mindestens 700 Fahrgästen am Tag im Querschnitt.
/servlet/is/13343/Zoellner_2002.jpgAbb. 1: Schienenwürdigkeit von Regionalstrecken


Da mit der Schieneninfrastruktur ein hoher Sachwert verbunden ist, sollte eine vorhandene Strecke jedoch erst stillgelegt werden, wenn auch durch Maßnahmen zum Steigern der Attraktivität die werktägliche Nachfrage nicht dauerhaft auf mindestens 10 ... 15 Pkm/Fz-km erhöht werden kann (Tabelle 1). Dieser Wert sollte aber nur als Nährungswert angesehen werden, denn das Bewerten von Schienenstrecken erfordert eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, in die örtliche Randbedingungen, wie der Zustand der Verkehrs- und Fahrzeuginfrastruktur oder Möglichkeiten zum Ausweiten des Fahrgastpotenzials, eingehen müssen.

Sind mit Regionalbahnen verkehrliche und strukturelle Vorteile verbunden, kann ein Betrieb auch bei geringerer Nachfrage sinnvoll sein für
  • das Unterstützen einer mobilitätsgerechten und umweltfreundlichen Siedlungsentwicklung,
  • das Fördern eines sanften Touristikkonzeptes,
  • das Vermarkten einer Region für Einwohner- und Gewerbeansiedlung sowie Tourismus,
  • das Bedienen sinnvoller Lückenschlüsse und Netzergänzungen.
/servlet/is/13343/Zoellner_2002b.jpgAbb. 2: Empfehlung für Mindestnachfrage von Regionalbahnen

Andernfalls ist der Einsatz von Regionalbahnen nicht sinnvoll.

Dann stehen in der Regel Straßenverkehrsmittel unterschiedlicher Fahrzeuggrößen, -bauarten und Eigentumsverhältnisse zur Verfügung, die nach unterschiedlichen Formen betrieben und verschieden konzessioniert werden können. Wesentlich für die Auswahl der Fahrzeuggröße ist die Fahrgastnachfrage. Zur Hauptverkehrszeit und auf stark nachgefragten Linien ist der Einsatz von Gelenk- oder Standardbussen sinnvoll. Auf Relationen oder zu Zeiten geringerer Nachfrage können Midibusse, Kleinbusse oder Personenkraftwagen genutzt werden. Einfluss auf die Wahl der Fahrzeuggröße haben aber auch Breite und Tragfähigkeit der zu befahrenden Straßen und Wendestellen, insbesondere bei einer Haustürbedienung.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Differenzierte Bedienung auf dem Lande (Stand des Wissens: 26.10.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?14413
Literatur
[Schne01] Schnell, Mirko, Dipl. Kfm. Entwicklung des SPNV-Marktes, veröffentlicht in Der Nahverkehr, 2001/4
Rechtsvorschriften
[RegG] Regionalisierungsgesetz (RegG)
Glossar
Personenkilometer
Die Einheit Personenkilometer [Pkm] beschreibt die im Rahmen einer Personenbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Verkehrsmenge (Summe der beförderten Personen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km.
Verkehrsarbeit [Pkm] = Verkehrsmenge [P] * Wegstrecke [km]
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Tragfähigkeit Wasserverdrängung eines voll abgeladenen Schiffes abzüglich der Schiffsmasse. Umfasst die Massen von Besatzung, Passagieren, Ladung, Brennstoffen, Wasser und aller Vorräte.
übliche Abkürzungen:  Tons deadweighttdw), Dead weight tons)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?13343

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 12:01:30