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Eigenschutzzsysteme für externe Gefahren in der Zivilluftfahrt

Erstellt am: 27.01.2005 | Stand des Wissens: 07.11.2018
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Eine Gefahr für den zivilen Luftverkehr durch terroristische Maßnahmen besteht durch den Beschuss mit Waffen verschiedenster Art. Diese Gefahr ist bei erdnahen Flugphasen (Start und Landung) am größten. Aufgrund einfacher Transport- und Beschaffungsmöglichkeiten sowie infolge vergleichsweise geringer Kosten sehen Sicherheitsexperten eine besondere Gefahr für den Zivilluftverkehr durch die Verbreitung von Infrarot-gelenkten Raketensystemen. Um Luftfahrzeuge gegen Angriffe durch Terroristen mit wärmesuchenden Raketen zu schützen gibt es drei Möglichkeiten, die ursprünglich aus dem militärischen Anwendungsgebiet stammen [RAND05]:
  • Täuschkörperwerfer (flares) (bordseitig)
  • Laser-Störstrahler (laser jammers) (bordseitig)
  • Hochenergielaser (High-Energy Laser, HEL) (bodenseitig)
Schwachpunkte der Fackel-Täuschkörperwerfer sind neben der Hitzeentwicklung die begrenzte Wirksamkeit bei fortgeschrittenen wärmesuchenden Raketen beziehungsweise andersartigen MANPADS-Systemen. Bei einer Einführung von Laser-Systemen ist neben dem nicht unerheblichen Kostenfaktor auch die von Laser-Systemen ausgehende Gefahr für das Augenlicht zu sehen.

Täuschkörperwerfer
In einem Bericht der RAND Corporation werden Systeme nach den Bezeichnungen konventionell (conventional flares), fortgeschritten (advanced flares) und verdeckt (covert flares) unterschieden. Die konventionellen Täuschkörper können gegen die erste und zweite Generation von Infrarot-Raketen wirksam eingesetzt werden. Nach dem Ausstoß produzieren sie eine Wärmesignatur, die aufgrund ihrer Größe zu einer falschen Zielauffassung des Raketen-Wärmesuchkopfes führt.
Die Weiterentwicklung der Raketensuchköpfe mittels verfeinerter Temperaturunterscheidung und Bewegungsprofil-Überwachung brachte die Möglichkeit einer Differenzierung zwischen Täusch- und Flugkörper. Als Gegenmaßnahme für diese verbesserten Waffensysteme hat die Weiterentwicklung der Täuschkörper zu so genannten fortgeschrittenen Fackeln (advanced flares) geführt, die eine Kombination verschiedener Täuschkörper mit unterschiedlichen Wellenlängen darstellt.
Die pyrotechnische Reaktion ist bei den unsichtbaren Fackeln (covert flares) nicht so groß, sodass es zu keinem sichtbaren Glühen kommt. Die geringere Hitzeentwicklung vermindert die Gefahr der Brandentstehung bei Erdberührung und lässt dieses Mittel zum Einsatz bei Zivilflugzeugen als besser geeignet erscheinen.

Laserstörsysteme (IRCM/DIRCM)
Diese Systeme behindern durch Modulation des Lasers die Zielauffassung im Suchkopf der Rakete und lenken sie vom Ziel ab. Bei gerichteten Laser-Systemen muss der Laserstrahl zur Energieübertragung die Rakete verfolgen. Dazu können kreiselstabilisierte Drehturmsysteme an Bord der Flugzeuge zur Anwendung gelangen, die jedoch eine gewisse Fehleranfälligkeit des Gesamtsystems bedingen. Gekoppelt sind diese Abwehrmaßnahmen an ein entsprechendes Warnsystem, welches die Wärmesignatur des Raketenstrahls während der Abschussphase erfassen muss. Auszugehen ist bei den integrierten Warnsystemen von einer bedeutsamen Fehlalarmrate, die die Wirksamkeit des Gesamtsystems in Frage stellt. Ungewiss ist die Effektivität des Systems zur gleichzeitigen Abwehr von mehr als einer anfliegenden Rakete.

Hochenergie-Laser
Informationen des Herstellers Northrop-Grumman zufolge befinden sich bodenseitige Hochenergie-Laser-Abwehrsysteme, so genannte Mobile-Tactical High Energy Laser (MTHEL) in der Entwicklung. Versuchsinstallationen haben Artillerie-Geschosse und Katjuscha-Raketen erfolgreich im Flug zerstört und könnten als bodenseitiges Sicherheits- und Abwehrsystem an Flughäfen zur Anwendung gelangen. [RAND05] Deutlicher Vorteil dieser Systeme ist, dass sie Schutz gegenüber den meisten Waffenarten (funk-/laser-gesteuerte und wärmesuchende Systeme) bieten und mehrere Raketen außer Gefecht setzen könnten. Für eine großräumige Abdeckung im Bereich ziviler Luftfahrtapplikationen wäre dennoch eine Anpassung der Flugwegführung oder eine Erhöhung der Zahl eingesetzter Schutz- beziehungsweise Verteidigungssysteme notwendig. Nachteilig bei diesen Systemen ist, dass sie vermutlich erst in mehreren Jahren zur vollen Einsatzreife gelangt sein werden und erst dann dem Markt zur Verfügung stehen. Teilkomponenten der Anlage sind schützenswert beziehungsweise als vertrauliche Systemelemente aufzufassen und dürfen daher nicht einfach aus den USA exportiert werden.

Die notwendigen Raketenwarnsysteme (MSAW) und Steuersysteme zur automatischen Führung der Gegenmaßnahmen sind komplexe und kritische Teilelemente des Gesamtsystems. Da die Flugzeuge während der Start- und Landephase in niedriger Höhe fliegen, ist die Flugzeit einer Rakete und damit die effektive Reaktionszeit für ein Abwehrsystem sehr kurz. Zudem ist für jedes System die Einschränkung seiner Wirksamkeit für bestimmte Waffensysteme zu sehen, wie die folgende Darstellung widerspiegelt:

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Abbildung 1: Übersicht der Anwendungswirksamkeit verschiedener Schutzsysteme in Anlehnung an [RAND05]

Eine weitere Möglichkeit zur Gefahrenminderung sehen einige Fachleute auch in einer verbesserten Exportkontrolle für MANPADS-Waffensysteme.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maßnahmen zur Erhöhung der Luftsicherheit (Security) (Stand des Wissens: 15.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?132104
Literatur
[RAND05] Chow, J., Chiesa, J., Dreyer, P., Eisman, M., Karasik, T.W., Kvitky, j., Lingel, S., Ochmanek, D., Shriley, C. Protecting Commercial Aviation Against the Shoulder-Fired Missile Threat, 2005/01, ISBN/ISSN ISBN 0-8330-3718-8

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?128624

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 17:28:29