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Fluggastdatenübermittlung

Erstellt am: 25.01.2005 | Stand des Wissens: 30.11.2018
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Im heutigen, serviceorientierten Luftverkehr werden zur Erstellung individueller Leistungselemente wie Beratung, Betreuung und Angebot von Zusatzleistungen automatisiert personenbezogene Daten erhoben, die in Passagierdatensätzen, als Passenger Name Record (PNR) bezeichnet, gespeichert werden. In elektronischen Buchungssystemen wie AMADEUS sind mehrere Datenfelder enthalten, die unter anderem je nach Fluggesellschaft und Serviceangebot Aufschluss über bis zu sechzig verschiedene Angaben geben können. Dazu zählen: Identitäts-, Transaktions- und Finanzdaten sowie Informationen über Flug-, Hotel- und Mietwagenbuchungen. Weitere Angaben umfassen: in der Vergangenheit gemachte Reisen, Servicewünsche und notwendige, medizinische Versorgung sowie Informationen, die mit Kundenbindungsprogrammen in Zusammenhang stehen können [Pall07; ICAO10b].

Ein Teil der Daten können auch bei den konventionellen Einreiseformalitäten erfasst werden, sodass insbesondere bei sensiblen Personendaten Konfliktbereiche mit den Datenschutzrichtlinien zu sehen sind. Als schützenswerte Personendaten im Rechtssinne der EG-Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG) werden Informationen behandelt, die Rückschlüsse auf religiöse oder politische Überzeugung oder den Gesundheitszustand einer Person zulassen. Wenngleich nicht unbedingt und unmittelbar von einem Nachteil für den Passagier durch die Datenerfassung auszugehen ist, könnte jedoch eine Fehlinterpretation der Daten zu Nachteilen in Einzelfällen führen. Zudem ist die Gefahr der Datennutzung für Bereiche zu sehen, die nicht in unmittelbaren Zusammenhang der Terrorabwehr stehen. Vor allem das Risiko der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen ist mit der Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden [Pall07].

Von Seiten der EU wurde darauf hingewirkt, materielle Verbesserungen der Rechtsposition der betroffenen Passagiere zu erreichen. Dazu kündigte die Europäische Kommission die Schaffung eines Rechtsrahmens für die PNR-Datenübermittlung an. Rechtliche Grundlagen zur Erfassung und Übermittlung von Fluggastdatensätzen sind:
  • Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln,
  • Überführung in das Bundespolizeigesetz durch §31a.
Als Reaktion der US-Regierung auf die Anschläge des 11. Septembers 2001 folgte nach kurzer Zeit der so genannte Patriot Act. Teil dieses Gesetzes ist der "Aviation and Transportation Security Act", welcher in Abschnitt 115 vorsieht, dass Fluggesellschaften, die die USA anfliegen oder überfliegen eine Liste der an Bord befindlichen Passagiere und Besatzungsmitglieder an die amerikanischen Behörden zu übermitteln haben. Ziel bei der Nutzung der Daten ist eine sachgerechte Überprüfung einreisender Personen. Die frühzeitige Kenntnis sowie schnellere und umfangreichere Datenermittlung soll Verzögerungen hinsichtlich der Einreise- und Abfertigungsprozesse bei Reisen in die USA vermeiden. Die Maßnahme wurde durch eine Zwischenlösung (interim rule) im Jahr 2002 dahingehend ausgedehnt, dass die US-amerikanische Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten (United States Bureau of Customs and Border Protection des Departments of Homeland Security) Zugriff auf PNR-Daten (Passagierdatensätzen, Passenger Name Record) der Fluglinien im Verkehr mit den USA verlangt. Nachdruck wurde dieser Forderung gegenüber den Fluglinien mit der Androhung des Entzugs von Ein- bzw. Überflugrechten verliehen. Seit März 2003 besteht ein Online-Zugriff auf die PNR-Daten europäischer Fluglinien [DVWG04a].

Legitimation zur Übermittlung von Fluggastdaten an die USA durch das europäische Parlament am 19.04.2012 [EU12b]:
Ein EU-US Abkommen zur Weitergabe von EU-Fluggastdaten an US Behörden regelt die rechtlichen Voraussetzungen zur Datenübertragung mit Themen:
  • Aufbewahrungsfristen,
  • Zweck der Datennutzung,
  • Datenschutzgarantien,
  • Rechtliche Einspruchmöglichkeiten.
Das Abkommen lag nach geforderten Änderungen bezüglich des Datenschutzes endgültig am 19.04.2012 zur Abstimmung im EU Parlament vor und wurde mit 409 Ja-Stimmen, 226 Gegenstimmen und 33 Enthaltungen angenommen und am 26.04.2012 jeweils vom Justiz- und Innenminister unterzeichnet. Im Abkommen sind folgende Regelungen zur Fluggastdatenspeicherung getroffen worden [EU12b]: 
  • 5 Jahre Datenspeicherung in einer aktiven Datenbank,
  • nach 6 Monaten sind diejenigen PNR Daten zu anonymisieren, welche eine Identifizierung von Passagieren zulassen würden,
  • nach Ablauf von 5 Jahren Datenspeicherung, Transfer in eine "ruhende" Datenbank für weitere 10 Jahre (auf diese Datenbank dürfen US Behörden jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen Zugriff haben), im Anschluss komplette Anonymisierung.
Die Datenspeicherung dient laut Abkommen der Prävention, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung im Kampf gegen den Terrorismus und schweren grenzüberschreitenden Straftaten, welche nach US-Recht mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren geahndet werden. Zudem werden die Fluggastdaten zur Identifikation von Personen genutzt, die einer genaueren Befragung durch US-Behörden zu unterziehen sind [EU12b].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maßnahmen zur Erhöhung der Luftsicherheit (Security) (Stand des Wissens: 15.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?132104
Literatur
[DVWG04a] Christians, D. , Clauß, R. , Escherich, P. , Fink, A. , Kühner, D. , Ordemann, U. , Otte, Prof. Dr. K. , Sperlich, H. , Stamm, Mindirig. R. , Thyes, V. , Zöller, Dr. M.A. 2. Rechtsforum der DVWG-Terrorabwehr im Transport- und Verkehrswesen, 2004/05, ISBN/ISSN ISBN 3-937877-06-1
[EU12b] Europäische Parlament Parlament stimmt Fluggastdatenabkommen mit den USA zu, 2012/04/19
[ICAO10b] Internationale Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization-ICAO) (Hrsg.) Guidelines on Passenger Name Record (PNR) Data , Ausgabe/Auflage 1, 2010, ISBN/ISSN 978-92-9231-625-9
[Pall07] Ansgar Pallasky Datenschutz in Zeiten globaler Mobilität, veröffentlicht in Nomos Universitätsschriften Recht, Ausgabe/Auflage Band 497, 2007
Rechtsvorschriften
[2004/496/EC] Conclusion of an Agreement between the EC and USA on the processing and transport of PNR data by Air Carriers to the US DHS

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?128338

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 18:31:09