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Interessenskonflikte zwischen Hochwasserschutz und Schiffbarmachung von Binnenwasserstraßen

Erstellt am: 15.10.2004 | Stand des Wissens: 20.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

Die Schiffbarmachung von Flüssen wird häufig im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz thematisiert. Die Begradigung, Kanalisierung und Verbauung von Flüssen hat vielerorts zu einer Verschärfung der Hochwassergefahr geführt, da dies die maximal aufnehmbare Wassermenge der Flüsse reduziert und die Fließgeschwindigkeit des Wassers erhöht [BUND02]. Der Hochwasserschutz steht damit im Konflikt mit den Anforderungen der Binnenschifffahrt hinsichtlich der Schiffbarkeit von Wasserstraßen [SwZe12].

Gleichzeitig hat Hochwasser negative Auswirkungen auf den Betrieb der Binnenschifffahrt sowie auf weitere, landgebundene Verkehrsträger. Im Zuge des Hochwassers an zahlreichen Flüssen und Kanälen in Mitteleuropa im Jahr 2013 entstanden in Deutschland Schäden an Straßen, Bahntrassen und Wasserstraßen in Höhe von fast drei Milliarden Euro. An der Elbe, die mit am schlimmsten von der Hochwasserkatastrophe betroffen war, hatte der Hafen Magdeburg mit 9 Millionen Euro die höchste Schadenssumme zu verzeichnen. Die Flut bedrohte zudem insbesondere die Existenz der kleinen, familiengeführten Binnenschiffer, für die der finanzielle Verlust im Zeitraum des Hochwassers von Ende Mai bis zum Anfang Juni des Jahres 2013 auf 1.500 Euro pro Schiff und Tag geschätzt wurde [WäKn13, DeWd13].

Um die Hochwassergefahr durch Ausbau- und Neubauvorhaben an Bundeswasserstraßen zu mindern, sind bauliche Maßnahmen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die auf die Verbesserung der Verhältnisse für die Schifffahrt abzielen, mit den gesetzlichen Vorgaben zum Hochwasserschutz wie zum Beispiel dem Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushaltes (auch Wasserhaushaltsgesetz genannt) abzustimmen. Dabei gilt: Der Bund finanziert Schutzmaßnahmen soweit, dass nach der verkehrlichen Ausbaumaßnahme mindestens das Hochwasserschutzniveau erreicht wird, das vor dem Ausbau bestand. Dazu werden die Auswirkungen von Ausbaumaßnahmen auf die Verhältnisse des Abflussverhaltens und auf die Hochwasserabfuhr berücksichtigt. [PLANCO07a]

Im Jahr 2002 reagierte die Bundesregierung auf das damalige Sommerhochwasser an der Elbe zur Zeit des Hochwassers in Mitteleuropa im August desselben Jahres mit einem 5-Punkte Programm zum vorbeugenden Hochwasserschutz. Hierzu gehörte die Überprüfung der Ausbauvorhaben des Bundesverkehrswegeplans 2003 auf Hochwasserneutralität [BMVBS05b]. Im Juni 2021 wurde zudem ein neues Gesetz verabschiedet, wodurch der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), die Zuständigkeit für den wasserwirtschaftlichen Ausbau der Binnenwasserstraßen des Bundes übertragen wurde. Mit dem neuen Gesetz sollen für alle Zielstellungen an den Wasserstraßen ökologische, wasserwirtschaftliche und verkehrliche Synergien verbessert und Planungen beschleunigt werden [WSV21a].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Binnenwasserstraßen (Stand des Wissens: 20.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?303052
Literatur
[BMVBS05b] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) Handbuch
Umweltbelange an Bundeswasserstraßen, 2005/05
[BUND02] o.A. Ökologischer Hochwasserschutz - Raum für naturnahe Gewässer, Auen und Feuchtgebiete - Schutz für die Menschen, o.O., 2002
[DeWd13] Deutscher Wetterdienst (Hrsg.) Das Hochwasser an Elbe und Donau im Juni 2013, 2013
[PLANCO07a] Bundesanstalt für Gewässerkunde, PLANCO Consulting GmbH Verkehrswirtschaftlicher und ökologischer Vergleich der Verkehrsträger Schiff, Straße, Schiene, o.O., 2007/11
[SwZe12] Swen Zehetmair Zur Kommunikation von Risiken
Eine Studie über soziale Systeme im Hochwasserrisikomanagement, Springer/Wiesbaden, 2012
[WäKn13] Thomas Wägener, Christian Knoll Millionen-Schäden nach dem Hochwasser, veröffentlicht in Binnenschifffahrt, 2013/07
[WSV21a] Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (Hrsg.) Neues Gesetz zum wasserwirtschaftlichen Ausbau der Bundeswasserstraßen in Kraft, 2021/06/09
Rechtsvorschriften
[HWSchuG] Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes
Glossar
Bundesverkehrswegeplan
Als Instrument einer mittel- bis langfristigen Investitionsrahmenplanung für den Erhalt und Ersatz bundeseigener Verkehrsinfrastruktur erfasst der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) das zwecks zielgerichteter Ausgestaltung sowie Erweiterung von Bundesfernstraßen, Bundeswasserstraßen und Schienenwegen des Bundes erforderliche Finanzierungsvolumen. Auf Basis verkehrsträgerübergreifender Prognosen findet in diesem Zusammenhang eine Priorisierung vorgesehener Neu- und Ausbauprojekte gemäß ihrer gesamtwirtschaftlichen Bewertung sowie ökologischer und raumordnerischer Einschätzungen statt. Grundsätzlich wird infolgedessen zwischen "vordinglichem Bedarf" (VB) und "weiterem Bedarf" (WB) unterschieden.

Der BVWP tritt auf Beschluss des Bundeskabinetts in Kraft und umfasst jeweils einen Zeithorizont von circa zehn bis 15 Jahren. Seit 1973 sind bereits sechs konsekutive Verkehrswegepläne verabschiedet worden. Der letzten, dem Jahr 2016 entstammenden Fortschreibung liegt ein Planungszeitraum bis 2030 und ein Investitionsvolumen in Höhe von 269,6 Milliarden Euro zugrunde, siehe auch gesonderte Wissenslandkarte "Bundesverkehrswegeplanung" hier im Forschungsinformationssystem.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?114591

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 12:01:19