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Sonderfahrstreifen (HOV-Lanes) für Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr

Erstellt am: 12.10.2004 | Stand des Wissens: 21.06.2019
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Mit mehreren Personen besetzte Fahrzeuge werden auch als "High Occupancy Vehicles" (HOV) bezeichnet. Zur Förderung von Fahrgemeinschaften wurden "HOV-Lanes" vor allem in den USA eingerichtet. Auf diesen dürfen Privat-Pkw fahren, wenn eine lokal zu definierende Mindestzahl an Personen im Pkw sitzt. In der Regel sind auf diesen Spuren auch Taxen und Busse zugelassen [Reinke85, Schä02].

Insbesondere in den USA wurden gute Erfahrungen mit HOV-Lanes gesammelt [Reinke85, Schä02].
In Europa sind HOV-Fahrstreifen unter anderem in den Städten Leeds (England), Madrid (Spanien) und Linz (Österreich) eingerichtet und hinsichtlich der Wirksamkeit untersucht worden [ICARO99; Geor18, S. 76].
In Deutschland ist die Einrichtung von Sonderfahrstreifen für Fahrgemeinschaften bisher nicht erfolgt. Zur Verbesserung des Verkehrsflusses sind hier an verkehrlichen "Nadelöhren" vorrangig Busspuren eingerichtet worden, die in der Regel auch von Taxen und teilweise von Radfahrern benutzt werden dürfen. Eine Freigabe von Busspuren für HOV wird jedoch sehr kritisch gesehen, da hierdurch die Qualität des Öffentliche Personennahverkehrs (ÖPNV) beeinträchtigt wird [IVBSNV94]. Außerdem ist in Deutschland die Infrastruktur historisch gewachsen und die Bevölkerungsdichte höher als beispielsweise in den USA. In den USA ist dagegen die Straßenführung häufig rechtwinklig angelegt und die Highways sind breiter [Geor18].

HOV-Lanes gelten als die Maßnahme mit der höchsten Wirkung auf den Besetzungsgrad im Motorisierten Individualverkehr (MIV) und damit als stärkste Fördermaßnahme für Fahrgemeinschaften. Vorteile für die Teilnehmer von Fahrgemeinschaften treten in erster Linie auf hochbelasteten Strecken auf. Unter anderem sind folgende Ergebnisse durch die Einrichtung von HOV-Lanes bekannt:
  • Fahrgemeinschaften in San Francisco und Los Angeles erreichten Fahrzeitersparnisse von 20-30 Minuten (rund 12 statt 32 Minuten) [Reinke85],
  • Erhöhung der Anzahl der Fahrgemeinschaften auf einem Streckenabschnitt von 1.100 auf 2.300 Fahrgemeinschaften pro Tag [Reinke85],
  • nachweisliche Erhöhung des Besetzungsgrades (in Leeds von 1,35 auf 1,41); verantwortlich sind hierfür Reisezeitgewinne (in Leeds von 3,5 Minuten auf einer 1,5 Kilometer langen HOV-Spur) [ICARO99].
  • Durch Reisezeitersparnisse kann laut einer Modellrechnung der Anteil der Fahrgemeinschaftsnutzer um 1,17 Prozentpunkte hauptsächlich zu Lasten der MIV-Nutzung gesteigert werden [Funk06, S. 215f].
  • in Linz werden auf ein Jahr und alle Mitfahrer 60.000 Stunden einspart, dementsprechend werden 125 Tonnen weniger CO2 pro Jahr ausgestoßen und damit zum Umweltschutz beigetragen [Geor18].
Bei der Einrichtung von HOV-Lanes sind die verkehrlichen Randbedingungen zu beachten, damit es nicht zu unerwünschten Nebeneffekten kommt:
  • Bei der Umwidmung eines Fahrstreifens des Individualverkehrs zum HOV-Fahrstreifen kann es zu verstärkten Stauungen auf den verbleibenden Fahrstreifen kommen. Dies wiederum kann dazu führen, dass Verkehrsverlagerungen in parallele Straßen stattfinden [ICARO99].
  • Der ÖPNV kann beeinträchtigt und die ÖPNV-Beschleunigung an Lichtsignalanlagen (LSA) behindert werden. Gegebenenfalls müssten hierzu Vorlaufzeiten für den ÖPNV modifiziert werden, damit Fahrgemeinschaften die LSA räumen können, sofern dies die Verkehrslage überhaupt zulässt.
In Deutschland fanden bisher keine Feldversuche zu Sonderfahrstreifen für stärker besetzte Pkw statt [IVBSNV94]. Simulationen haben jedoch ergeben, dass eine Mitnutzung von Busspuren durch andere Fahrzeuge in Einzelfällen (Stadtrandlage) möglich erscheint, ohne die Verkehrsqualität des ÖPNV maßgeblich zu verschlechtern [BaKa01].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr (Stand des Wissens: 21.06.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?56871
Literatur
[BaKa01] Thorsten Kathmann, Baier, Michael, Dipl.-Ing., Baier, Reinhold, Dr.-Ing., Schäfer, Karl Heinz Verkehrsqualität auf Busspuren bei Mitnutzung durch andere Verkehre, Bergisch-Gladbach, 2001/09, ISBN/ISSN 3-89701-757-1
[Funk06] Funke, Torsten Entwicklung von Verkehrsmittelwahlmodellen für komplexere Mitfahrverkehre, Stuttgart, 2006
[Geor18] Georgi, Dominik, Bründler-Ulrich, Susanne, Schaffner, Dorothea, Federspiel, Esther , Wolf, Patricia , Abplanalp, Richard , Minder, Bettina , Frölicher, Jonas Entwicklung einer Sharing-Strategie in Städten, veröffentlicht in ShareCity, Springer Fachmedien, 2018/12, ISBN/ISSN 978-3-658-23699-1
[ICARO99] ICARO-Konsortium ICARO - Final Report - Deliverable 11, 1999
[IVBSNV94] Koch, Matthias , Senst, Jürgen , Kremtz, Peter , Prillwitz, Sylvia , Großpietsch, Sybille Mitbenutzung von Busspuren durch höherbesetzte Pkw oder andere Fahrzeuggattungen, Berlin, 1994/11
[Reinke85] Reinke, Volkmar Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr - Möglichkeiten und Grenzen der Förderung, Dortmund, 1985, ISBN/ISSN 3-88211-050-3
[Schä02] Schäfer, Marco Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr - in Deutschland auch in Zukunft nur die Nische in der Nische?, veröffentlicht in Planungsrundschau, Ausgabe/Auflage Ausgabe 05, Cottbus , 2002
Glossar
LSA Lichtsignalanlagen LSA (umgangssprachlich: Ampeln) dienen der Steuerung des Straßenverkehrs, indem mittels Lichtsignalen ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer angeordnet wird.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Besetzungsgrad Unter Besetzungsgrad wird die Auslastung von Verkehrsmitteln verstanden. Im Öffentlichen Personennahverkehr entspricht das Platzangebot dabei i. d. R. der Summe aus den Sitzplätzen und 4 Plätzen je m² Stehfläche. Der Besetzungsgrad wird hierbei in % angegeben. Er liegt im Durchschnitt bei rd. 20 % und erreicht in der Spitze Werte zwischen 80 und 100 %. Vor allem bei besonderen Veranstaltungen kann der Besetzungsgrad im ÖPNV auch über 100 % betragen. In Analogie hierzu wird auch im Individualverkehr oft dieser Begriff verwendet; damit sind jedoch häufig die Anzahl der (durchschnittlich) im Auto befindlichen Personen gemeint (z. B. 1,2 Personen) und nicht die Platzauslastung. Zum Teil wird daher auch der Begriff "Besetzungszahl" verwendet. Der Quotient aus der Summe der Personenfahrten im Pkw und der Anzahl der Pkw-Fahrten wird auch als "ungewichteter Besetzungsgrad" bezeichnet. Daneben gibt es den seltener verwendeten "gewichteten Besetzungsgrad", der die Fahrtlängen berücksichtigt. Da mit zunehmender Fahrtlänge die Besetzung höher ist, liegt der gewichtete Besetzungsgrad um ca. 0,1 höher als der ungewichtete.
LSA Lichtsignalanlagen (LSA) dienen der Steuerung des Straßenverkehrs. Sie ordnen für Verkehrsteilnehmer ein bestimmtes Verhalten an, indem sie gesteuerte Signale abgeben. Umgangssprachlich werden sie auch häufig Ampeln genannt.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?113854

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 10:44:52