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Routenführung von Liniendiensten in der Containerschifffahrt

Erstellt am: 19.09.2002 | Stand des Wissens: 26.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Die Routenführung ist eine grundlegende Entscheidung der Angebotsgestaltung und des Marktauftritts eines Reeders. Sie wird grundsätzlich bestimmt durch das akquirierbare Ladungsaufkommen (=Nachfrage) in den Häfen des Fahrtgebiets.

Die ausgeprägten Ungleichgewichte zwischen eingehenden und ausgehenden Ladungsströmen und die dadurch erforderliche Positionierung von Leercontainern, die etwa 20 Prozent der gesamten Containerbeförderungen ausmachen, lassen die Gestaltung des Routennetzwerks einer Reederei zu einer entscheidenden Frage werden.

Neben der traditionellen Verbindung von zwei Hafenranges (Multiport-Dienst) haben sich ausgefeilte Routenführungen als Dreieck-, Pendel- (oder Acht-), Multi-String- oder Round-the-World-Dienste (RTW) entwickelt. RTW-Dienste folgen in der Regel den Hauptverkehrsrouten Transpazifik-Transatlantik-Europa-Fernost, wobei gegenüber der Beibehaltung dreier separater Dienste die Anzahl der Hafenanläufe halbiert werden kann. Einen Dreieckverkehr bildet Europa-Mittelost-Indien, wobei auf der kurzen mittleren Strecke Leercontainer gefahren werden. Bei einem Pendel-Verkehr werden zwei Dienste verknüpft wodurch ein Hafenanlauf im Zentrum eingespart wird (beispielsweise Fernost-Europa-Nordamerika). Multi-String-Dienste oder Staffeldienste (relaying) verknüpfen mehrere unabhängige Linien mit unterschiedlichen Hafenfolgen, die aber jeweils gemeinsame "Kernhäfen" enthalten, zwischen denen eine dichte Folge von Direktabfahrten geboten wird. Maersk Sealand als prominentestes Beispiel bedient mit Post-Panamax-Schiffen in Pendeldiensten Fernost-Europa-Nordamerika nicht nur die Hauptzentren des Weltcontainerverkehrs, sondern betreibt gleichzeitig ein "Förderband" zwischen mehreren Hubs, besonders Algeciras, Salalah und Tanjung Pelepas, über die wiederum in der Regel Pendeldienste laufen, so über Algeciras nach Westafrika [Nott06, S.22]. Schematisch lassen sich die Routenführungen wie in Abbildung 1 darstellen:
emerging global maritime .pngAbbildung 1: Globales Containertransportsystem (Eigendarstellung nach [Rod12]) (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)

Betriebswirtschaftlich vorteilhaft ist es, mit möglichst großen Schiffen und einer geringen Anzahl von Anlaufhäfen auszukommen. Das erfordert den Aufbau von Transshipment- und Feederverkehren zur Zusammenfassung des Ladungsaufkommens bis hin zu einem Hub-and-spoke-System. Die erwartete Reduzierung der Zahl der Anlaufhäfen ist jedoch vor allem in Nordwesteuropa bisher nicht eingetreten, da einerseits die Kosten der Feederschiffe per TEU-Kilometer wesentlich höher sind und andererseits die Skaleneffekte der großen Schiffe im Hauptlauf auch beim Anlauf mehrerer Häfen nicht völlig aufgezehrt werden. Für ein wettbewerbsfähiges Hub-and-spoke-System mit einem einzigen europäischen Hub müssten die Hafenkosten bei höherer Produktivität deutlich niedriger als in den heutigen Haupthäfen sein, wobei der Hub-Hafen zugleich ein dichtes Netz an Feederdiensten zu attraktiven Raten bieten müsste [Bair02].

Im Zuge der Krise 2008/09 veranlassten die hohen Überkapazitäten und Verfügbarkeit billiger Chartertonnage die Reeder einerseits zu deutlichen Reduzierungen der Geschwindigkeit (slow steaming und ultra-slow steaming), zum anderen aber auch zum Anlaufen zusätzlicher Häfen zu Lasten von Feederdiensten. So nahm zum Beispiel Maersk Lines Ende 2009 den polnischen Hafen Gdansk in einen Fernost-Umlauf auf.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Betriebsfragen des Containerverkehr (Stand des Wissens: 26.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?284774
Literatur
[Bair02] Baird, A. J., The economics of container transhipment in Northern Europe, veröffentlicht in International Journal of Maritime Economics, Ausgabe/Auflage 4(2002)3, 2002, ISBN/ISSN 1388-1973
[Nott06] Notteboom, Theo The Time Factor in Liner Shipping Services, veröffentlicht in Maritime Economics & Logistics, Ausgabe/Auflage 8, Palgrave Macmillan / Basingstoke, 2006, ISBN/ISSN 1479-2931
[Rod12] Rodrique, Jean-Paul, Schulman, Joseph The Geography of Transport Systems, 2012
Weiterführende Literatur
[Trac02] Trace, K. , Globalisation of Container Shipping: Implications for the North-South Liner Shipping Trades, Buenos Aires , 2002
[Haut02] Hautau, U., Seeverkehrsmärkte im wettbewerbspolitischen Wandel : dargestellt am Beispiel der Container-Linienschifffahrt auf der Nordatlantik- und Fernost-Route, Lang / Frankfurt am Main; Berlin; Bern; Bruxelles; New York; Oxford; Wien , 2002, ISBN/ISSN 3-631-39463-2
Glossar
Twenty-foot equivalent unit Zwanzig-Fuß-Äquivalente-Einheit (Twenty-foot Equivalent Unit). Eine statistische Hilfsgröße auf der Basis eines 20-Fuß-ISO-Containers (6,10 m Länge) zur Beschreibung von Verkehrsströmen oder -kapazitäten. Ein genormter 40'-ISO-Container der Reihe 1 entspricht 2 TEUs.
Panamax Panamax wird ein Schiff genannt, dessen Parameter die Durchfahrt durch den Panama-Kanal ermöglichen: maximale Länge: 295 m, maximale Außenbreite: 32,25 m, maximaler Tiefgang: 13,50 m. Bulkcarrier haben dann Tragfähigkeiten von ca. 75 000 tdw. Als Post-Panamax-Schiffe wird eine Größenklasse von Containerschiffen bezeichnet, deren Parameter die Durchfahrt durch den Panama-Kanal nicht gestatten, i.d.R. mit ca. 6500 TEU Ladekapazität.
Hub-and-Spoke
Hubs sind zentrale Umschlagpunkte über die Versand- und Empfangspunkte miteinander verbunden werden.
Die Empfangs- und Versanddestinationen werden auch als Speichen (Spokes) bezeichnet. Das heißt, eine Verbindungen wird nicht direkt durchgeführt, sondern über einen zentralen Knoten oder Umschlagspunkt. Es wird daher von einem Hub-and-Spoke-System oder Nabe-Speiche-System gesprochen.
Hafenrange
Unter einer Hafenrange wird eine gedanklich zusammengefasste Hafengruppe verstanden, für die im Linienverkehr meist gleiche Frachtraten gelten. Die Häfen einer Range stehen untereinander in intensivem Wettbewerb.
Unter der Nordseerange werden allgemein die Häfen Hamburg, Bremen/Bremerhaven, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen zusammengefasst sowie z.T. Le Havre, Dünkirchen, Zeebrügge, Vlissingen und Flushing einbezogen.
Als ARA-Range werden die Häfen Antwerpen. Rotterdam und Amsterdam bezeichnet.
Zugumlauf
Der Zugumlauf beschreibt das vollständige Abfahren eines festen Streckenzyklus (Kursverlauf, Haltepunkte etc.) im Rahmen des Fahrplanbetriebs. Die Dauer des Zugumlaufs ist nicht auf einen Kalendertag begrenzt, sondern kann auch längere Zeit in Anspruch nehmen.
Hauptlauf Unter dem Hauptlauf ist im Kombinierten Verkehr der gebündelte Transport von Ladeeinheiten zwischen zwei Umschlagpunkten zu verstehen. Am Umschlagpunkt wechselt die Ladeeinheit das Transportmittel. Transporte vom Versender zum Umschlagpunkt oder von dort zum Empfänger werden als Vor- bzw. Nachlauf bezeichnet.
Economies of Scale Economies of Scale treten auf, wenn die Produktionskosten pro hergestellter Einheit mit zunehmender Produktionsmenge abnehmen.
Hub Der Begriff Hub kommt vom englischen Begriff "Hub and Spoke", was im Deutschen "Nabe und Speiche" entspricht. Der Hub dient als Sammel- und Knotenpunkt für Hauptverkehrswegen für den Umschlag und die Zusammenfassung von Warenströmen in alle Richtungen, d.h. zur Warenübergabe an regionale Verteiler. Im Postwesen handelt es sich bei Hubs häufig um Paketzentren. Die Transportmittel zur weiteren Beförderung der Sendungen variieren (Schiffe, Flugzeuge, Lkw).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?11006

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 19:03:28