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Verkehrsreduzierung als Ziel des Verkehrsmanagements

Erstellt am: 18.08.2004 | Stand des Wissens: 02.12.2019
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky

Strategien zur Verkehrsreduzierung beinhalten sowohl raum- und verkehrsplanerische als auch organisatorische Maßnahmen.

Langfristig bilden ausgewogene Siedlungsstrukturen (Mischung von Arbeitsplätzen, Wohnstätten und Infrastruktureinrichtungen für den Gebietsbedarf, verträgliche Dichte, de-/polyzentrale Strukturen, kurze Wege) die baulichen Voraussetzungen für ein verkehrssparsames Verhalten. Geringe Transportkosten und hohe Reisegeschwindigkeiten, aber auch die Forderung nach hoher räumlicher Flexibilität bei der Arbeitsplatzwahl, behindern jedoch oft verkehrsvermeidende Raum- und Handlungsmuster.

Abseits einer Verkehrsvermeidung durch optimierte Raumplanung und Landnutzung sind vor allem organisatorische Konzepte erforderlich. Hierbei steht insbesondere die Vermeidung und Reduzierung des motorisierten Inidvidualverkehrs (MIV) im Vordergrund. Diese Zielstellung ist durch die folgenden Maßnahmen erreichbar:
  • Tatsächliche Vermeidung des MIV durch Beseitigung der Ursache der Verkehrsentstehung,
  • Reduzierung des MIV durch Wechsel des Verkehrsmittels,
  • Reduzierung des MIV durch höhere Auslastung der Fahrzeuge.
Die tatsächliche Vermeidung des MIV kann dadurch erreicht werden, dass der Ursache der Verkehrsentstehung entgegengewirkt wird. Zu nennen wären hier Möglichkeiten, die die Telekommunikationstechnik bietet, beispielsweiseTelearbeit / Homeoffice oder Online-Shopping [FGSV99a]. Mit derartigen, verkehrsvermeidenden Telediensten hat sich bereits Anfang der 2000er Jahre das Teilprojekt "Virtuelle Mobilität" des Leitprojekts "intermobil Region Dresden" auseinandergesetzt. Im Vorfeld wurde über eine Expertenbefragung das Potenzial verschiedener Telemobilitäts- und -dienstleistungsangebote abgeschätzt, wobei unter Berücksichtigung verkehrsinduzierender Effekte den Bereichen Telearbeit, Telefon- und Videokonferenzen, Teleshopping/Telebanking und Telelearning/Teleteaching die größten Einsparungsmöglichkeiten zugewiesen wurden [NeRe02]. Die Auswirkungen von alternierender Telearbeit wurden im Leitprojekt MOBINET untersucht. Aufgrund der Verhaltensänderungen der an der Untersuchung beteiligten Mitarbeiter verschiedener Unternehmen wurde das Einsparpotenzial im Berufsverkehr auf 8,5 Prozent geschätzt. Neuere Forschungsarbeiten können derartige Ergebnisse und Verkehrsreduzierungen jedoch nicht nachweisen. Das Mobilitäts- und Verkehrsverhalten hat sich aufgrund der vielfältigen internetbasierten Anwendungen sei es im Home-Office-Bereich oder durch den E-Commerce nicht grundlegend geändert [Lenz11].
Weiterhin sollte Alltagsverkehr in der Stadt ökologisch sinnvoll auf Fuß- und Radverkehr verlagert werden. Insbesondere in Großstädten sind die Tagesstrecken für verschiedene Wegezwecke (Arbeit, Einkauf, Freizeit) oftmals kleiner als fünf Kilometer [NoKu18, S. 63] . Eine Verlagerung dieser Strecken auf den Fuß- und Radverkehr beinhaltet dementsprechend großes Potenzial.
Im städtischen Kontext wird eine Vermeidung unnötiger Fahrten wie durch den Parksuchverkehr angestrebt. In vielen Städten existieren Parkraummanagement-Konzepte [SaRie14]. Beispielsweise ließen sich in München durch konsequente Umsetzung von Parkraummanagement-Maßnahmen, die sowohl Parkbauten als auch Stellplätze im Straßenraum in die Parkinformation einbezogen, bis zu 50 Prozent des Parksuchverkehrs vermeiden [Mobinet03]. WiBs02 beziffert den durch Verkehrsinformations- und dynamische Parkleitsysteme vermeidbaren Parksuchverkehr allgemein auf bis zu 25 Prozent.
 
Neben der Vermeidung des MIV ist eine zweite Zielstellung seine Reduzierung, in dem die Verkehrsteilnehmer zu einem Wechsel der Verkehrsmittel motiviert werden. Erreicht werden kann dies zum einen durch restriktive finanziellen Maßnahmen wie Mobility Pricing (zum Beispiel: Citymaut, Pkw-/Lkw-Maut) oder die Internalisierung externer Kosten bei den Treibstoff- und Fahrpreisausgaben. Zum anderen können jedoch auch positive Anreize für den Wechsel des Verkehrsmittels geschaffen werden. Dies beinhaltet sowohl die Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV, wie sie durch preisgünstige Job-Tickets und/oder ansprechende, finanziell lohnende Park&Ride-Angebote (hohe Taktrate des ÖPNV, verkehrstechnisch gute Anbindung, finanziell lohnender Kostenvergleich)  erzielt werden kann als auch die Erhöhung der Attraktivität des nichtmotorisierten Individualverkehrs. Hier wären unter anderem die Ausbau einer fahrradfreundlichen Infrastruktur, wie sie im verkehrspolitischen Programm des ADFC [ADFC14] gefordert wird, zu nennen.
Ein dritter Punkt zur Reduzierung des MIV betrifft die Erhöhung des Auslastungsgrades von Fahrzeugen. Darunter wird insbesondere die Bildung von Fahrgemeinschaften verstanden. Mögliche, unerwünschte Effekte können jedoch Verlagerungen von anderen Verkehrsmitteln zum MIV oder Fahrtverlängerungen durch Bring- und Abholvorgängen sein [FGSV99a].
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Literatur
[ADFC14] Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club ADFC (Hrsg.) Wir bewegen was!
Das Verkehrspolitische Programm des ADFC, 2014
[FGSV99a] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Hinweise zur Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung im Personen- und Güterverkehr, Selbstverlag der FGSV, 1999
[Mobinet03] o.A. MOBINET Abschlussbericht - 5 Jahre Mobilitätsforschung im Ballungsraum München, 2003/11
[NeRe02] Nerlich, Mark R., Dipl.-Soz., Reichling, Thomas, Dipl.-Ing. Telemobilität - verkehrliche Wirkungen von Internet & Co. - Ergebnisse einer bundesweiten Expertenbefragung, veröffentlicht in ECTL Working Paper, Ausgabe/Auflage 9, Hamburg, 2002/04, ISBN/ISSN 1616-0916
[NoKu18] infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft , Nobis, Claudia, Kuhnimhof, Tobias Mobilität in Deutschland - MiD Ergebnisbericht, 2019/02
[SaRie14] Sandrock, M., Riegelhuth, G. Verkehrsmanagementzentralen in Kommunen - Eine vergleichende Darstellung, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2014, ISBN/ISSN 978-3-658-04390-2
[WiBs02] Ronald Winkler, ADAC , Christian Bschorr, München Verkehrstelematik in Städten, Ausgabe/Auflage 1, München, 2002, ISBN/ISSN ADAC-Bestell-Nr. 283135.1
Weiterführende Literatur
[BERN06] Fraunhofer Institut Materialfluss und Logistik (IML), Arnd Bernsmann, Volker Kraft, Jens Schoneboom, , Deutscher Speditions- und Logistikverband (DSLV), Bonn, Dipl.-Vw. Klaus Zänker Auswirkungen von IuK-Technologien für Logistikprozesse und die Verkehrswirtschaft, 2006
[LaBl12] Martin Lanzendorf, Andreas Blechschmidt Fachgutachten für die Fortschreibung des STEP Verkehr und öffentlicher Raum - Integrierte Stadtentwicklung zur Verkehrsvermeidung und Förderung nachhaltiger Mobilität, 2012/12
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
ADFC Der ADFC ist ein bundesweiter, gemeinnütziger Verein, der die Interessen von Alltags- und Freizeitfahrern vertritt. Arbeitsschwerpunkte liegen unter anderem in der Verkehrsplanung, der Verkehrspolitik, dem Tourismus, dem Umweltschutz, der Technik/Sicherheit, dem Fahrraddiebstahlschutz sowie der Fahrradmitnahme in Öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei überprüft der ADFC beispielsweise auch die Qualität von Produkten der Fahrradindustrie und fördert den Radverkehr durch Zusammenarbeit mit Institutionen, Vereinen sowie Organisationen, die sich für mehr Sicherheit und Umweltschutz im Straßenverkehr einsetzen. Des Weiteren bietet der ADFC vor Ort Dienstleistungen wie Radtouren, Technikkurse, Kaufberatung als auch Verkehrsaktionen an.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?100557

Gedruckt am Mittwoch, 6. Dezember 2023 07:38:46