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Dimensionierung von Fußgängerverkehrsanlagen

Erstellt am: 26.09.2003 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Um den Fußverkehr zu fördern, ist es notwendig, die Bedürfnisse und Eigenschaften von Fußgängern sowie ihre Verhaltensweisen zu kennen. Die Dimensionierung von Fußverkehrsanlagen richtet sich unmittelbar nach diesen Gesichtspunkten. Da es hierbei keine Universallösung gibt und verschiedene Interessengruppen aufeinander treffen, ist die Dimensionierung ein Schlüsselthema.
Beginn und Ende eines jeden Fußweges stellen Quellen und Ziele dar, die bei städtebaulichen Strukturen vielfach an Straßenverläufe geknüpft sind. An angebauten Straßen sind Anlagen für den Fußgängerverkehr überall und beidseitig der Fahrbahnen erforderlich. Handelt es sich um anbaufreie Straßen, so sind Fußgängeranlagen dann notwendig, wenn sie eine direkte Verbindung zwischen Quellen und Zielen für Fußgänger darstellen [Maier02, FGSV02c]. Generell muss die Frage nach der Notwendigkeit eines straßenbegleitenden Gehweges und dessen Dimensionierung immer situationsabhängig betrachtet werden. Dies gilt ebenso für die Anlage von Querungstellen [FGSV02c, RASt06].
Die Breite von Gehwegen ist ein entscheidendes Kriterium für die Qualität und Sicherheit des Fußgängerverkehrs. Für die Dimensionierung sind unter anderem folgende Faktoren zu berücksichtigen [FGSV02c; RASt06]:
  • Größe und Zusammensetzung von Fußgängerströmen (beispielsweise Anteil mobilitätseingeschränkter Personen),
  • Nutzung der Straße (Verkehrsstärke) sowie Nutzung und Funktion des bebauten Gebietes (Wohnnutzung, Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten),
  • Einbauten und Bepflanzung im Seitenraum (beispielsweise Bänke, Haltestellen),
  • Sicherheitsabstände zu festen und beweglichen Hindernissen sowie
  • Kriterien der Umfeldqualität, der Maßstäblichkeit des Straßenraumes und der Aufenthaltsqualität.

Ein einzelner Fußgänger benötigt mindestens eine Breite von 0,8 Meter gehen zwei Fußgänger nebeneinander, so beträgt der Breitenbedarf bereits 1,80 Meter. Die Zuschläge für die notwendige Gehwegbreite können beispielsweise in Form von Verweilflächen vor Schaufenstern (+ 1,0 Meter), an Haltestellen (+ mehr als 1,50 Meter) vor Ruhebänken (+ mehr als 1,0 Meter) notwendig werden [FGSV02c].
Es ergibt sich eine Mindestgehwegbreite von 2,50 Meter. Erst ab dieser Breite ist eine ungehinderte Begegnung von zwei Fußgängern möglich. Größere Breitenmaße sind grundsätzlich anzustreben, geringere Breiten sind lediglich in Wohnstraßen mit geringem Fahrzeugverkehr akzeptabel [FGSV02c].
Ein einzelner Fußgänger benötigt mindestens eine Breite von 0,8 Meter, die sich aus 0,6 Meter Schulterbreite und 0,1 Meter Bewegungsbreite pro Seite zusammensetzt. Aus der Anforderung an die Barrierefreiheit öffentlicher Verkehrsräume resultieren weitere Grundmaße bezüglich der Breite von Fußgängerverkehrsanlagen. Gehen zwei Fußgänger nebeneinander, so beträgt der Breitenbedarf bereits 1,80 Meter. Hinzu kommt ein Sicherheitsabstand zur Fahrbahn sowie zu festen und beweglichen Hindernissen zwischen 0,2 und 2,0 Meter [RASt06, S. 81]. Die Zuschläge für die notwendige Gehwegbreite können beispielsweise in Form von Verweilflächen vor Schaufenstern (+ 1,0 Meter), an Haltestellen (+ mehr als 1,50 Meter) vor Ruhebänken (+ mehr als 1,0 Meter) notwendig werden [FGSV02c].
Es ergibt sich eine Mindestgehwegbreite von 2,50 Meter. Erst ab dieser Breite ist eine ungehinderte Begegnung von zwei Fußgängern möglich (siehe Abbildung 1). Größere Breitenmaße sind grundsätzlich anzustreben. Geringere Breiten sind lediglich in Wohnstraßen mit geringem Fahrzeugverkehr und einer offenen Randbebauung akzeptabel [Höfl04].
Mindestgehwegbreite

Größere Seitenraumbreiten sind insbesondere dann erforderlich, wenn die angrenzende Bebauung beispielsweise durch einen hohen Geschäftsanteil charakterisiert ist. In zentralen Lagen oder bei besonderen Anforderungen der städtebaulichen Gestaltung (Alleen, Boulevards) ergeben sich höhere Breitenerfordernisse mit mehr als 5,0 Meter. Ferner von Bedeutung ist das Verkehrsaufkommen des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) in den betreffenden Straßen. Auch mit steigender Verkehrsstärke sind die Seitenräume breiter zu gestalten, um beispielsweise die Verhältnismäßigkeit von Straße zu Gehweg zu wahren [RASt06; FGSV02c; Dittr02; Bast99d; RASt06].
Die Rahmenbedingungen und äußeren Einflüsse, die den Fußgängerverkehr beeinflussen, wurden zusammengefasst, um die Grundlage für eine einheitliche Gestaltung zu schaffen, die "Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen" [FGSV02c]. Diese beinhaltet ein dreistufiges Dimensionierungsverfahren [Maier02]:
  • Einstufung der Straßen im Planungsgebiet nach geplanter oder vorhandener baulicher Nutzung sowie verkehrlicher Bedeutung,
  • Markierung besonderer Infrastruktureinrichtungen im Planungsgebiet (wie Schulen oder Kaufhäuser) und
  • Durchführung von Einzelnachweisen für besondere Ziele und Zeiten (beispielsweise Veranstaltungsende) [Maier02].
Im Rahmen einer Dimensionierung sind besonders hoch frequentierte Infrastruktureinrichtungen zu beachten. So ist beispielsweise bei der Schulumgebung sicherzustellen, dass in fußläufiger Entfernung auf allen Straßen für Kinder besonders sichere und ausreichend dimensionierte Fußgängerverkehrsanlagen existieren [Maier02]. Auf Wegen, die Verbindungen außergewöhnlicher Fußgängermengen von und zu ausgeprägten Einzelquellen und -zielen darstellen (zum Beispiel Wege zu Haltestellen oder Arbeitsstätten), muss ein Nachweis über eine ausreichende Dimensionierung der Flächen und Querungsanlagen durchgeführt werden [Maier02].
Auf Wegen, die Verbindungen außergewöhnlicher Fußgängermengen von und zu ausgeprägten Einzelquellen und -zielen darstellen, muss ein Nachweis über eine ausreichende Dimensionierung der Flächen und Querungsanlagen durchgeführt werden [Maier02, FGSV02c].
Eine isolierte Betrachtung des Fußgängerverkehrs ist im Hinblick auf die Wechselwirkungen aller Maßnahmen im Straßenraum nicht sinnvoll [FGSV02c]. Jedoch wurden die Belange des Fußgängerverkehrs in den letzten Jahrzehnten aufgrund des eher autoorientierten Ausbaus der Stadt weniger beachtet. Vor allem die Verhältnismäßigkeit des Straßenraums (Seitenraum zu Fahrbahn 30:40:30) und das Prinzip einer Straßenraumgestaltung vom Rand aus wurden teilweise missachtet [RASt06].

Auch mit Blick auf die Förderung umweltfreundlicher Mobilität und der Lebensqualität in Städten kommt es künftig darauf an, den Fußverkehr verstärkt zu unterstützen und die Fußgängerverkehrsanlagen bedarfsgerecht zu dimensionieren.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Fußgängerverkehrsanlagen (Stand des Wissens: 07.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?300815
Literatur
[Bast99d] Böhle, Wolfgang , et al., Alrutz, Dankmar, Dipl. Ing. Flächenansprüche von Fußgängern, veröffentlicht in Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Ausgabe/Auflage Heft V71, Wirtrschaftsverlag NW Bergisch Gladbach/ Bremerhaven, 1999/11/01, ISBN/ISSN 3-89701-428-9
[Dittr02] Dittrich-Wesbuer, Andrea , Bräuer, Dirk Die EFA - Anspruchsgerechte Wege für den Fußgänger-Längsverkehr, veröffentlicht in Straßenverkehrstechnik, Ausgabe/Auflage 11, 2002
[FGSV02c] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. , Arbeitskreis 2.5.2 (Fußgängerverkehr) Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA), FGSV-Verlag, Köln, 2002
[Höfl04] Höfler, Frank Verkehrswesen-Praxis, veröffentlicht in Bd. 1 Verkehrsplanung, Ausgabe/Auflage 1. Auflage, Bauwerk Verlag GmbH / Berlin, 2004, ISBN/ISSN 3-934369-52-9
[Maier02] Maier, Reinhold, Dr.-Ing. Planung und Dimensionierung von Anlagen für den Fußgängerverkehr, veröffentlicht in Straßenverkehrstechnik, Ausgabe/Auflage 12, 2002/12
[RASt06] Baier, Reinhold, et al. Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen - RASt 06, Ausgabe/Auflage 2006, Köln, 2007, ISBN/ISSN 978-3-939715-21-4
Weiterführende Literatur
[NMV05] Planungsgemeinschaft Verkehr, Hannover Chancen und Optimierungspotentiale des nichtmotorisierten Verkehrs, Hannover, 2005
[FGSV11] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Gebiete (ESG), FGSV Verlag / Köln, 2011, ISBN/ISSN 978-3-941790-76-6
[Zilc02] Zilch, Konrad Handbuch für Bauingenieure : Technik, Organisation und Wirtschaftlichkeit - Fachwissen in einer Hand, Springer/Berlin, Heidelberg, 2002, ISBN/ISSN 3-540-65760-6
[HBVA11] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen (H BVA), 2011/06
[FUSS00] FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland Wie breit müssen Gehwege sein?, Kassel, 2000/03
Glossar
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit bedeutet, dass bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Querungsanlage
Querungsananlagen beinhalten alle Maßnahmen an Fahrbahnen, die es insbesondere Fußgänger*innen ermöglichen, die Fahrbahn sicherer, schneller und komfortabler zu überqueren. Darunter fallen:
Bauliche Maßnahmen: Verschmälerung von Fahrstreifen, Rücknahme der Fahrstreifenanzahl, Verkehrsinseln, Teilaufpflasterungen, Vorziehen der Seitenräume, Gehwegnasen, Bordsteinabsenkungen, räumliche Trennung von nichtmotorisiertem und motorisiertem Verkehr, et cetera
Betriebliche Maßnahmen: Fußgängerüberwege (Zebrastreifen), Fußgängerfurten, Lichtsignalanlagen
Zusätzliche Maßnahmen: Tempolimits, Geschwindigkeitsüberwachung, Verkehrszeichen, Markierungen, gelbe Blinklichter, et cetera
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Verkehrsstärke
Die Verkehrsstärke ist eine Kennzahl für die Stärke eines Verkehrsstroms an einem Querschnitt, gemessen in der Anzahl der Verkehrseinheiten, die diese Stelle pro Zeiteinheit passieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von Streckenbelastung, wenn sich die Quantifizierung des Verkehrsstroms alternativ auf einen betrachteten Streckenabschnitt und nicht auf einen Querschnitt bezieht.
Verkehrsstärke = Verkehrseinheiten am Querschnitt / Bezugsperiode
Gebräuchliche Einheiten für die Verkehrsstärke sind z. B. Fahrzeuge [Fzg] pro Tag [24h] oder Stunde [h] (z. B. durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke, kurz DTV [Fzg/24h])
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?58074

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 17:14:36