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Flughafenlogistik

Erstellt am: 09.03.2010 | Stand des Wissens: 01.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Internationale Fluggesellschaften sind in Bezug auf ihre Umsätze, den angebotenen Service sowie in der Qualität des Transports sehr homogen, sodass der Wettbewerb eher hinsichtlich der Bodenabfertigung stattfindet. Je effektiver die Bodenabfertigung durchgeführt wird, desto einfacher ist es, für kleinere Fluggesellschaften konkurrenzfähig zu bleiben [Heyd09]. In diesem Zusammenhang spielt die Flughafenlogistik eine entscheidende Rolle. Sie ist dafür verantwortlich, betriebliche Leistungserstellungsprozesse an einem Flughafen zu gestalten und zu steuern und lässt sich nach Scheimann [Sche05d], Emmermann und Smekal [EmSm99] sowie Sterzenbach und Conrady [StCo03] in vier Bereiche unterteilen:
  • Die Passagierlogistik umfasst den Bereich zwischen dem Eintreffen des Passagiers am Flughafen bis zu dem Zeitpunkt, an dem er ihn wieder verlässt. Dazu gehören zum einen der Bereich des Check-ins sowie die Ankunftsabwicklung (inklusive Lost & Found). Auch die Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen sind Teil der Passagierlogistik.
  • Die Gepäcklogistik ist dafür verantwortlich, dass das Flugzeug mit dem Gepäck der Passagiere schnell, sicher und fehlerfrei be- und entladen wird. Dabei spielt die Technik der Gepäcksortierung eine große Rolle. Des Weiteren muss das Gepäcklogistiksystem auch auf operative Sonderfälle, zum Beispiel Flugausfälle aufgrund von Wetterbedingungen oder Flugverbindungen, die aufgrund von Verspätungen unterhalb der Minimum Connecting Time liegen, reagieren können.
  • Die Vorfeldlogistik ist für alle Aktivitäten verantwortlich, die zwischen Terminal und Flugzeug stattfinden. Dazu gehören das Schleppen, Be- und Entladen von Flugzeugen, das Fahren und Positionieren von Abfertigungsgeräten sowie Wasser- und Toilettenservice und Flugzeugenteisung. Dienstleistungen wie Catering, Reinigung und Betankung der Flugzeuge sind zwar auch Teil der Vorfeldlogistik, werden aber häufig von externen Anbietern übernommen.
  • Die Frachtlogistik befasst sich mit dem Transport und der Lagerung von Frachtgütern innerhalb des Flughafens. Dabei kann der Flughafen die Position des Zielortes oder eines Umschlagplatzes einnehmen. Weitertransporte finden auf anderen Verkehrsträgern statt. Die Frachtlogistik stellt einen weitestgehend unabhängigen Bereich der Flughafenlogistik dar.
Die Flughafenlogistik beziehungsweise der Flughafen hat verschiedene Kundengruppen mit unterschiedlichen Leistungsspektren und Anforderungen an die Flughafenlogistik, die es zu befriedigen gilt. Die zentralen Kundengruppen werden nachfolgend auf Grundlage von Scheimann [Sche05d] und Schulz et al. [ScBa12, S. 156-166] erläutert. In Abbildung 1 sind weitere Kundengruppen nach Schulz et al. [ScBa12, S. 156-166] aufgeführt.
  • Die Fluggesellschaften sind die primären Kunden eines Flughafens. Der Großteil der Flughafeninfrastruktur (unter anderem Terminals, Start- und Landebahnen und das Vorfeld) wird für die Fluggesellschaften zur Verfügung gestellt.
  • Die Passagiere stellen die größte Kundengruppe dar. Nicht eindeutig ist hier die Einordnung, ob die Passagiere eigentlich als Kunden der Fluggesellschaften oder als direkte Kunden des Flughafens betrachtet werden können. Die hauptsächlichen Einnahmen des Flughafens durch die Passagiere stammen somit auch aus Nicht-Flugaktivitäten (Non-Aviation-Bereich, wie zum Beispiel Verpflegungs- und Einkaufsangebote an den Terminals). Somit können Passagiere sowohl als indirekte als auch als direkte Kunden betrachtet werden.
  • Die Konzessionsnehmer leisten Abgaben an den Flughafen für Konzessionen und Räumlichkeiten. Diese sind Nutzer von verschiedenen Flughafeneinrichtungen (zum Beispiel Parkhäuser, Geschäfte, Hotels für Tagungen und so weiter).
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Abb. 1: Kundengruppen eines Flughafens [ScBa12, S. 156-166]
Entscheidend für die Flughafenlogistik sind hauptsächlich die beiden ersten Kundengruppen, weil sie Einfluss auf die Abfertigungsabläufe von Passagieren und Gepäckstücken haben. Dabei muss berücksichtigt werden, dass in Europa ungefähr 20 bis 25 Prozent der Flughafennutzer zur dritten und vierten Kundengruppe gehören [Sche05d].

Zu den wichtigsten Anforderungen zählen neben hohen Abfertigungskapazitäten und wettbewerbsfähigen Preisen vor allem Flexibilität in der Erbringung der Dienstleistungen sowie deutlich schnellere Durchlaufzeiten [EmSm99;ScBa12, S. 161f.]. Dieses verlangt von der Flughafenlogistik im Hinblick auf die Gepäckabfertigung eine schnelle, sichere und fehlerfreie Gepäckbe- und -entladung sowie Gepäcksortierung der Zubringerflüge. Problematisch können sich die unterschiedlichen Prioritäten der Fluggesellschaften auswirken. So ist eine Chartergesellschaft hauptsächlich an der Realisierung von niedrigen Gebühren interessiert, während eine Linienfluggesellschaft eher höhere Ansprüche an die Service- und Qualitätsstandards hat. In dieser Hinsicht ist es für den Flughafen wichtig, eine Balance zwischen den verschiedenen Anforderungen zu finden, da diese in vielfältiger Weise den Check-in, die Gepäckförderanlage, die Vorfeldkapazität und vieles weitere beeinflussen und sich somit auf die Investitions- und Betriebskosten auswirken [Sche05d;ScBa12, S. 157-160].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Branchenspezifische Logistik (Stand des Wissens: 01.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?286059
Literatur
[EmSm99] Emmerman, M., Smekal, G. Einsparungspotentiale bei Bodendienstleistungen, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage Band 4., 1999
[Heyd09] von Heydebreck, K Aviation Supply Chains - Flughafenlogistik als entscheidender Wettbewerbsvorteil, GRIN Verlag, 2009, ISBN/ISSN 3640447697
[ScBa12] Schulz, A., Baumann, S., Wiedenmann, S. Flughafen Management, München De Gruyter 2012, 2012, Online-Referenz doi:10.1524/9783486709933
[Sche05d] Scheimann, L. A. Flughafenlogistik - Anwendungskonzepte für Gepäcklogistiksysteme und deren Verifzierung anhand einer Benchmarkingstudie, Inst. für Fördertechnik und Logistiksysteme, Karlsruhe, 2005, ISBN/ISSN 0171-2772
[StCo03] Rüdiger Sterzenbach, Roland Conrady Luftverkehr - Betriebswirtschaftliches Lehr- und Handbuch, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, 2003, ISBN/ISSN ISBN 3-486-27419-8
Glossar
Betriebskosten
Betriebskosten sind laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Verkehrsleistungen entstehen. Hierzu zählen zum Beispiel Aufwendungen für Energie, Personal, oder Infrastrukturnutzung.
Minimum Connecting Time Die Minimum Connecting Time (MCT) ist eine wichtige Zeiteinheit aus dem Luftverkehr. Sie ist die Zeit, welche mindestens zwischen der Landung des einen Flugzeuges und dem Start des nächsten liegen muss, damit ein Passagier physisch in der Lage ist, seinen Anschlussflug zu erreichen. Dabei ist auch immer zu berücksichtigen, dass auch die Gepäckbeförderung in diesem Zeitraum stattfinden muss. Im Deutschen könnte man von Mindestumsteigezeit oder Mindestübergangszeit sprechen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?291051

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 02:53:52