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Hoher Verwaltungsaufwand und Probleme an den Verwaltungsgrenzen als Folge der aktuellen ÖPNV-Finanzierung

Erstellt am: 28.03.2007 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Deutschland ist durch eine Vielzahl historisch gewachsener Instrumente, Förderwege und Akteure gekennzeichnet. Die Darstellung dieser unübersichtlichen Finanzierungslandschaft wird passenderweise auch als "Spaghetti-Diagramm" (Abb. 1) bezeichnet. Die aktuelle Situation schafft kaum Anreize zur Verbesserung der Qualität oder der Wirtschaftlichkeit, definiert keinen Systemverantwortlichen und lässt daher auch keine ausreichende Steuerung des Gesamtsystems zu. Die Folge sind Effizienzverluste, unzureichende Lenkungswirkungen und Akzeptanzprobleme. Das schwächt zugleich die Position der Akteure in der Auseinandersetzung um (öffentliche) Mittel.
KCW_OPNV_Finanzierung_Spaghetti_Diagramm.jpgAbb. 1: Schematische Darstellung der Finanzströme im deutschen ÖPNV [KCW19]
Grundsätzlich ist die aktuelle Strukturierung der Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sinnvoll, die Verantwortung für den ÖPNV durch Städte, Landkreise und Gemeinden ermöglicht individuell angepasste Lösungen im eigenen Verantwortungsgebiet. Negativ ist jedoch anzumerken, dass die Angebote trotz bestehender Mobilitätsbedürfnisse zu oft an Verwaltungsgrenzen enden. Während für den Individualverkehr die Grenzen in der Regel schon längst verschwunden sind, stellen diese im ÖPNV für die Fahrgäste noch immer ein großes Hindernis dar. Die strukturellen Rahmenbedingungen führen weiterhin dazu, dass das öffentliche Verkehrsangebot abseits des SPNV sehr stark von der individuellen Leistungsfähigkeit der Kommunen abhängt und kein bundesweit einheitliches Angebot realisiert und vermarktet werden kann [Int21].
Es gibt trotz aller Bemühungen und jahrzehntelanger Erfahrungen mit Verkehrsverbünden immer noch eine "Kleinstaaterei" in der ÖPNV-Welt, was insbesondere gegenüber dem Pkw einen klaren Wettbewerbsnachteil darstellt. Die Einbindung in Verkehrsregionen (beispielsweise Verbünde) ist von großer Bedeutung, um einerseits handlungsfähige Sachkompetenz zu stärken und andererseits Verkehre über Verwaltungsgrenzen hinaus zu fördern [Int21].
Eine bundesweit abgestimmte einheitliche Angebotsstruktur und Benutzeroberfläche wäre aus Sicht der Nutzer sehr zu begrüßen. Statt in zahllosen weiteren kleinteiligen Lösungsversuchen könnten ganzheitliche Konzeptionslösungen und verbesserte Rahmenbedingungen (insbesondere auch in den strukturschwachen ländlichen Räumen) den ÖPNV deutlich stärken [Int21].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Zukünftige Finanzierung des ÖPNV (Stand des Wissens: 06.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?218979
Literatur
[Int21] Robert Hänsch Künftige Modelle für
Finanzierung und Organisation des ÖPNV, Interlink GmbH, Berlin, 2021/1/13
[KCW19] René Naumann, Stephanie Pasold, Jonas Fröhlicher Finanzierung des ÖPNV - Status quo und Finanzierungsoptionen für die Mehrbedarfe durch Angebotsausweitungen, KCW, Berlin, 2019/07
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?218804

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 11:55:42