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Lärmmindernde Anflugverfahren

Erstellt am: 10.11.2002 | Stand des Wissens: 22.02.2024
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Während des Anflugs auf einen Flughafen besteht aufgrund der verringerten Flughöhe die größte Lärmbelastung. Ein langer tiefer Anflugweg hat eine große Lärmeinwirkdauer zur Folge. Eine Reduzierung der Flugzeit in niedriger Flughöhe ist daher ein geeignetes Mittel, um die Lärmeinwirkung zu begrenzen. Deswegen wurde die Entwicklung von Verfahren mit höheren Anfluggeschwindigkeiten beziehungsweise steileren Anflugwinkeln untersucht.

Eine verzögerte Herstellung der Landekonfiguration vermindert die Lärmentwicklung, da die Luftverwirbelungen der Landeklappen und des Fahrwerks wesentliche Lärmquellen während des Anfluges darstellen. In der englischen Fachsprache werden derartige Verfahren als Low Drag - Low Power, also als geringe (Luft-)Widerstand Leistung bezeichnet. Die gleiche Wirkungsweise besteht auch bei einer Anhebung des Gleitwinkels und folglich einem steileren Anflug. Der damit verbundene geringere Leistungsbedarf vermindert die Lärmentwicklung der Triebwerke.

Der Lärmminderungseffekt ist nur dann wirkungsvoll, wenn der steilere Anflug so lange wie möglich durchführbar ist. Mit den heutigen großen Verkehrsflugzeugmustern ist eine wesentliche Erhöhung des Anflugwinkels unter Beibehaltung der gewünschten Luftverkehrssicherheit nicht möglich, da ein steilerer Anflug eine größere Sinkrate und damit eine größere Geschwindigkeit zur Folge hat. Bei großen und entsprechend schweren Luftfahrzeugen erhöht sich die Gefahr, dass nicht rechtzeitig auf die maximal zulässige Landegeschwindigkeit abgebremst werden kann. Darüber hinaus resultiert aus einem steileren Anflug eine schnellere Änderung der Druckverhältnisse in der Kabine, was den Passagierkomfort mindert. Zur Lärmentlastung kann der Gleitpfad in größerer Höhe (900 bis 1.200 Meter) angeschnitten werden. Der Anflug auf dem Gleitpfad erfolgt mit einer mittleren Klappenstellung und erst kurz vor Erreichen des Voreinflugzeichens, dem sogenannten Outer Marker, wird die Landekonfiguration hergestellt.
Abbildung 1: Beispiel für eine lärmminderndes Anflugverfahren

Die Lärmminderung beträgt dabei bis etwa 14 Kilometer vor der Landeschwelle rund zehn Perceived Noise Decibel und bis zum Ausfahren des Fahrwerks in 400 Metern Höhe immer noch fünf Perceived Noise Decibel. Dieses Verfahren wurde von Lufthansa in Frankfurt (Main) entwickelt und ist heute Bestandteil der Flugdienstvorschriften der Lufthansa. Es wird in der Realität jedoch aufgrund der relativ schwierigen Handhabbarkeit nicht angewendet, obwohl es von der International Air Transport Association auf internationaler Ebene zur Anwendung empfohlen wurde.

Ein Standardinstrumentenlandeanflug vollzieht sich mit einem Gleitwinkel von 3,0 Grad. Steilere Anflüge sind mit hohen Sinkgeschwindigkeiten und gleichzeitig niedrigem Leistungsniveau der Triebwerke verbunden. Schon bei etwa 3 Grad werden Grenzwerte von 300 Metern pro Minute für die Sinkgeschwindigkeit erreicht, die bei den niedrigen Höhen des Endanfluges und erschwerenden Wetterbedingungen mit heutigen Flugzeugen und ihren Steuer- und Leitsystemen gerade noch erflogen werden können. Die internationale Pilotenvereinigung hat ihre Mitglieder angewiesen, mit konventionellen Flugzeugen keine Anflüge durchzuführen, die unterhalb einer Höhe von 500 Metern mit Sinkgeschwindigkeiten von mehr als 300 Metern pro Minute verbunden sind und keine mehrstufigen Flugverfahren unterhalb von 500 Metern durchzuführen.

In Ergänzung des verzögerten Landeanfluges wird bei zukünftigen Flugzeugentwicklungen das verzögerte Ausfahren von Klappen und Fahrwerk zu einem Klappenmanagement entwickelt werden können, das durch eine automatische Zuordnung von Klappenstellung und Leistung, eine Schubminimierung erzielen und so zur Lärmverminderung beitragen kann. Die durch neue Technologien erzielten Vereinfachungen können weitere Flexibilität bei der Gestaltung von Anflugverfahren bringen.

Kontinuierliches Sinkflugverfahren, Continuous Descent Approach (CDA)
Der kontinuierliche Sinkflug, dargestellt in Abbildung 2, verringert die Flugzeit in niedriger Höhe während des Anfluges, bei der die Lärmbelästigung für die in der Umgebung des Flughafens lebenden Menschen am größten ist. Untersuchungen innerhalb des Sourdine-Programms haben ergeben, dass bei dem sogenannten kontinuierlichen Sinkflugverfahren (Continuous Descent Approach) wesentlich weniger Triebwerksleistungsverstellungen vorgenommen werden müssen [ECTR01l]. Dies hat einen geringeren Verbrauch, eine Schonung der Triebwerke und eine verringerte Lärmentwicklung zur Folge.
Abbildung 2: Darstellung eines kontinuierlichen Sinkanflugverfahrens (Continuous Descend Approach) [ECTR03p]

Die Umsetzung des kontinuierlichen Sinkflugverfahrens gestaltet sich insbesondere an verkehrsreichen Flughäfen, wie zum Beispiel in Frankfurt, als schwierig, da die Sinkprofile unterschiedlicher Luftfahrzeugtypen sich stark voneinander unterscheiden können. Da der Flughafen als fester Punkt am Ende des Sinkprofils steht, muss sich demzufolge der Ausgangspunkt für den kontinuierlichen Sinkflug von Typ zu Typ unterscheiden, was für Fluglotsen, speziell in stark frequentierten Lufträumen, einen erheblichen Mehraufwand bedeutet. Aufgrund dieser Tatsache werden kontinuierlichen Sinkflug-Anflüge derzeit nur in verkehrsarmen Zeiten umgesetzt. Abbildung 3 zeigt schematisch die unterschiedlichen Abläufe des Low Drag - Low Power- und des Continuous Descent Approach-Verfahrens.

Vergleich des Low-Drag-Low-Power Verfahrens mit dem Continuous Descent Approach Abbildung 3: Vergleich des Low Drag-Low Power Verfahrens mit dem Continuous Descent Approach

Für die horizontale Steuerung der Anflüge stellt das Ground Based Augmentation System, kurz GBAS, eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung von Fluglärm dar. Dabei handelt es sich um eine satellitengestützte Präzisionsanflughilfe, bei der die Signale der GPS-Satelliten von einer am Flughafen stationierten Bodenstation empfangen und mit den eigenen Koordinaten verglichen werden. Die Luftfahrzeuge im Anflug empfangen, neben den Satellitensignalen, auch die der Bodenstation und können die aktuelle Position präziser bestimmen. Seit dem 09. Februar 2012 ist am Flughafen Bremen das weltweit erste GBAS System für Präzisionsanflüge nach CAT I Bedingungen im Einsatz. Dieses System zeichnet sich durch eine sehr hohe Flexibilität aus, sodass die Bodenstation bis zu 49 unterschiedliche Anflugpfade mit verschiedenen Anflugwinkeln zur Verfügung stellen kann. Darüber hinaus sind gekurvte und segmentierte Anflüge möglich, wodurch dicht besiedelte Wohngebiete im Endanflugbereich umflogen werden können und somit Lärm reduziert werden kann.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maßnahmen zum Schutz vor Fluglärm und Lärmminderung (Stand des Wissens: 13.12.2016)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?97653
Literatur
[ECTR01l] Paulson, G. Integrating Environmental Issues into Air Traffic Management (ATM) Operations, 2001/04/09
[ECTR03p] Melrose, A. Basic Continuous Descent Approach, Ausgabe/Auflage 2003/4, Skyway Magazine, 2003/12
[GBAS13] Stefan Mauel GBAS - Perspektiven und Nutzen für den Flughafen Frankfurt, Frankfurt am Main, 2013/11/20
Glossar
Global Positioning System Global Positioning System (GPS), offiziell NAVSTAR GPS, ist ein globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung und Zeitmessung. GPS basiert auf Satelliten, die mit kodierten Radiosignalen ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Aus den Signallaufzeiten können GPS-Empfänger dann ihre eigene Position und Geschwindigkeit berechnen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?19119

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 01:44:55